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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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Ihre Arbeit, und anschließend kommen Sie zu mir in die Kombüse.« Zorina rauscht davon. Als ich mit dem leeren Tablett wieder zum Tisch gehe, sind die Männer fort, haben nur zerknitterte Servietten und Petrenkos zerknüllte leere Packung Dukats hinterlassen.

Kapitel 24
    J ede Passagierkabine hat ein Bad. Zusätzlich befindet sich auf jedem Deck eine Toilette sowie zwei weitere im Mannschaftsbereich und eine auf der Brücke. Alles in allem dreizehn Toi­letten. Vielleicht noch ein paar mehr, die zu erwähnen Zorina vergessen hat. Genug Toiletten für mehrere hundert Einwohner von Kalkutta beziehungsweise ein paar Familien in La Jolla. Auf einem Decksplan hat Zorina die Lage markiert und mir dann eine Leinentasche mit Reinigungsmitteln gegeben. Ich bin angewiesen, Bitte nicht stören -Schilder unbedingt zu respektieren und Zimmermädchen! zu rufen, bevor ich eine Passagierkabine betrete. Den Plan hat sie fürsorglich zusammengefaltet und in besagte Tasche gesteckt, damit ich mich nicht verlaufe. Was ich natürlich nicht versprechen kann, denn das Schiff ist riesig. Und es hat so viele Türen.
    Auf dem Weg zur Treppe komme ich am Aufzug vorbei, dessen Benutzung Besatzungsmitgliedern untersagt ist. Es wäre einem Passagier auch wirklich nicht zuzumuten, diese herrliche Kiste aus Spiegeln und poliertem Holz mit Leuten wie uns zu teilen. Mit dem Wort unsichtbar beschrieb Zorina, was wir sein sollen, und meine Kollegen scheinen sich diese Anweisung zu Herzen genommen zu haben. In meinem bislang halben Tag an Bord sind Zorina, der Koch und Andrew die einzigen Angestellten, denen ich begegnet bin. Man hat mir gesagt, wir wären insgesamt zwölf. Mit den zehn Passagieren – sechs Gentlemen, drei Püppchen und Margot, die eine Klasse für sich ist – sind wir zweiundzwanzig Personen an Bord. Ich vermute, dass es auf einem Schiff dieser Größe nicht weiter überraschend ist, wenn einem die Salons und Gänge entvölkert erscheinen.
    Es erscheint mir sinnvoll, mit der Toilette auf der Brücke anzufangen. Sie ist vermutlich klein und genau die richtige Herausforderung für eine angehende Latrinenkünstlerin. Und nicht zufällig ist die Brücke das Gehirn des Schiffs, wo man vermutlich auch den Kapitän findet.
    Sie liegt auf dem dritten Deck, ein bogenförmig geschwungener Raum am Bug. Kalt, grau, ohne jeden Charme und völlig phantasielos, genau wie ein braver Frontallappen sein sollte. Unter einer langen Fensterreihe sind Dutzende Instrumente und Schalter zu Bedienfeldern zusammengefasst. In der Raummitte ein Metallrad mit einem vorspringenden Hebel – eine Vorrichtung, die aussieht, als könnte sie von einem Ford Model T stammen. Es beschleicht einen schon ein mulmiges Gefühl, wenn man sich vorstellt, unser Leben könnte von solch einer schlichten technischen Vorrichtung abhängen. Der Kapitän ist in eine Seekarte vertieft. Leicht genervt schaut er auf. Ich trage das gestreifte T-Shirt mit dem Logo der Galaxy , und aus dem Beutel, den ich dabeihabe, ragt eine Toilettenbürste. Was ihn veranlasst, quer durch den Raum zu brüllen: »Oh, nein! Welcher Ärger rollt denn mit dir jetzt an?«
    Aber er kann keine Gedanken lesen; es ist nur eine nett gemeinte Fopperei. Ich erläutere meine Mission. Er zeigt auf die Toilettentür. »Lass dich nur ja nicht von mir abhalten.«
    Er ist klein, in der Mitte etwas füllig, herausgeputzt in einer marineblauen Jacke mit irgendeiner gelben Stickerei auf Schultern und Manschetten. Auch das gehört offenbar zur obliga­torischen Schiffskluft, denn er kommt mir nicht wie jemand vor, der bereitwillig einen Blazer à la Sergeant Pepper anzieht. Sein Gesicht ist teigig und aufgedunsen, auf seinen Wangen blühen Kapillargefäße wie violette Rhododendron-Büsche. Eine Strähne seines spärlichen strohblonden Haars hängt an einer Seite des Gesichts herunter. So wie es gekämmt ist, verrät es eine gute Portion wahnhaften Machismo seitens eines Mannes, der vermutlich stramm auf die sechzig zugeht.
    »Wie sind wir für Eisberge gerüstet?«, frage ich, denn ich möchte mich ein wenig mit ihm unterhalten, und es ist das Erste, was mir in den Sinn kommt.
    »Keine Sorge. Um diese Schnuckelchen müssen wir uns erst viel weiter nördlich Gedanken machen.«
    »Klaro. Wie viel weiter nördlich denn?« In meiner Stimme liegt ein winziges, unbeabsichtigtes ängstliches Quieken.
    Seine verquollenen Augen funkeln belustigt. »Sag nichts. Du hast Titanic gesehen. Guter Film, oder? Wie fandest du

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