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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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einander in der Welt der Liebe fast zerstörten, gibt es keinen Zweifel daran, dass sie brillante Geschäftspartner waren.
    Fakt ist, dass mein Vater tatsächlich Interesse zeigen würde , wenn man die Formel für den persönlichen Duft meiner Mutter jemals fände. Und ich auch. Nachdem sie L’Amour du Nord und ein paar andere Parfüms für ihre Linie kreiert hatte, stellte Isa sich ein eigenes, namenloses Parfüm zusammen. Es wurde nur flaschenweise in einer Manufaktur in Grasse hergestellt, nach einem Rezept, das nirgendwo aufgeschrieben werden durfte. Es war ihr eigener Duft, der nur von ihr getragen wurde. Fachleute, die es kannten, sagten, es wäre exquisit gewesen, ein Parfüm, das gegen die besten am Markt antreten könnte. Eine ­sichere Goldgrube, behaupteten einige. Ich kannte es nur als den Duft meiner Mutter und hätte das eine nicht vom anderen trennen kön­nen. Der Duft gehörte zu ihr wie das Licht zu ­einem glitzernden Pool. Die Frau und der Duft dieser Frau – beides zusammen machte mich glücklich, ich fühlte mich geliebt und sicher.
    Wenn nur ein paar Tropfen des Parfüms überlebt hätten, könnte man sie in den Gas-Chromatographen geben und wüsste die Zusammensetzung. Doch als Isa starb, nahmen die Frauen, die Milosa engagiert hatte, um ihr Zimmer auszuräumen, die letzte Flasche mit. Als man sie beschuldigte, leugneten sie es ­geradewegs und wortreich. Es nagt immer noch an mir, dass ­etwas so Kostbares auf diese Weise verlorengehen konnte. Wann im­mer jemand bei Inessa Mark heute Isas Duft erwähnt, folgt ein Moment andachtsvollen Schweigens, in dem Gedenken, was hätte sein können. Für mich scheint es manchmal, als wäre nicht nur das Parfüm verschwunden, sondern mit ihm die Chance, dass ihre Firma eines Tages wirklich zu einer Luxusmarke würde.
    *
    Ich werde vom klingelnden Telefon geweckt. Greife danach.
    »Wer hat euch gerammt?«, will Milosa ohne große Vorrede wissen. Normale Sätze, wie Entschuldige, dass ich um zwei Uhr nachts anrufe, aber ich muss dir etwas wirklich Wichtiges sagen , gehören nicht zu seinem Repertoire.
    »Was?«
    »Wer hat euch gerammt? Welches Schiff?«
    »Ach, das. Ich weiß es nicht.« Ich stütze mich auf den Ellbogen und schalte das Licht an.
    Aus dem Hörer ertönen grummelnde Laute. Milosa hustet flach. Im Hintergrund spielt Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 2. Diese grüblerischen, leidenschaftlichen Akkorde würde ich überall wiedererkennen. Er hat sich offensichtlich in seinem Büro voller Bücher im zweiten Stock verbarrikadiert. Ich habe keine Ahnung, was er dort oben anderes tut, als Brandy zu trinken, Zigarren zu rauchen, klassische Musik zu hören und gegen einen Schachcomputer zu spielen.
    »Wieso weißt du das nicht? Es muss doch eine Untersuchung gegeben haben?«, sagt er.
    Ich erkläre ihm, dass die Küstenwache Nachforschungen anstellt.
    »Was meinst du mit Nachforschungen anstellt ? Es handelt sich um ein Gewaltverbrechen.«
    »Bitte, Milosa. Es ist mitten in der Nacht.«
    »Glaubst du diesen Leuten? Dieser Küstenwache?«
    »Natürlich. Es ist ihr Job, solche Sachen herauszufinden. Ihr Beruf.«
    Er stöhnt über so viel Blödheit. Misstrauen gegenüber öffentlich Angestellten ist tief in der russischen Seele verwurzelt. »Du bist viel zu gutgläubig. Immer viel zu gutgläubig. Ihr Amerikaner seid zu weich.«
    »Nein, wir Amerikaner leben rein zufällig in einer funktionierenden Gesellschaft, wo die Menschen im Prinzip rational und bei Verstand sind.« Es erfüllt mich mit einer gewissen Befriedigung, ihn bäurisch dastehen zu lassen, da er mir so oft das Gefühl gibt, naiv zu sein.
    »Ha! Du hast keine Ahnung von der Welt!«
    Ich schwinge meine Beine unter der Decke hervor und richte mich auf. »Etwas spät für solche Sachen, findest du nicht auch?«
    »Du hast gesagt, es sei ein großes Schiff gewesen, ein Frachter. Wie kann es so lange dauern, ein Schiff von dieser Größe zu finden?«
    »Die Größe hat nichts damit zu tun. Es gibt Verfahren, an die sie sich halten müssen, die vielleicht zeitraubend sind, aber am Ende, da bin ich sicher, finden sie es.« Nun beginne ich selbst daran zu zweifeln. Es sind schon neun Tage vergangen, und ich habe noch nichts von der Küstenwache gehört. Aber ich lasse mir nicht von Milosa mit seinen düsteren, dramatischen An­sich­ten meinen Schlaf rauben.
    »Was wirst du tun?« Er bohrt direkt nach, als wäre die Voraussetzung – dafür, dass ich etwas unternehmen müsste – bereits klar

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