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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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mich dann früh zum Schlafengehen in mein malvenfar­benes Zimmer zurück, das so klimatisiert ist, dass ich mir vorkomme wie vakuumverpackt. Ich habe dieses scheußliche Hotelketten-Gefühl, als könnte ich einfach überall sein – in Paris, Hongkong, Detroit oder Schenectady. Oder nirgends. Auch meine Träume scheinen umherzuirren, nicht zu wissen, wohin sie gehören.
    Im Verlauf der nächsten beiden Tage werde ich sämtlichen medizinischen Tests unterzogen, die der Menschheit bekannt sind. Ich laufe auf einem Laufband, verkabelt mit Maschinen; ich puste, so fest ich kann, in einen Schlauch; mein Blut wird analysiert; eine Gehirnkarte wird erstellt. Ich verbringe einen geschlagenen Nachmittag im Kardiopulmonalen Labor, wo ich Atemfunktionstests und sauerstoffabhängigen Leistungsmessungen unterzogen werde, und zwar vor, während und nach etwas, das die Navy thermale Aussetzung nennt und ich schlicht erfrieren . Ich mache einen IQ -Test, fülle einen Lebenslauf aus, gebe Informationen zu jedem Mitglied meiner Fa­­milie – eine schnell erledigte Aufgabe angesichts der Tatsache, dass weder Milosa noch Isa viel in Familienerinnerungen geschwelgt haben. Ich erzähle die Geschichte des Schiffszusammenstoßes wieder und immer wieder. Ich überlasse ihnen meine DNA .
    Jeder, den ich kennenlerne, ist absolut höflich, was mir nicht gefällt. Es ist schwer, eine Person von der anderen zu unterscheiden, wenn sie sich alle gleich verhalten. Ron, Bob, Bill, Jane – vollkommen austauschbar, soweit ich das einschätzen kann. Und das Wetter: ein perfekter Tag nach dem anderen. Was nach einer Weile langweilig wird. Ich habe das Gefühl, den besten Teil von mir in Boston gelassen zu haben und zurückfahren zu müssen, um ihn auf den schmutzigen Straßen zwischen den schlechten Autofahrern wiederzufinden.
    Schließlich heißt es, es sei nun Zeit für den Tauchgang. Sonntag ist Ruhetag, also wird mein Eiswasser-Schwimmen auf Mon­tagmorgen um neun festgesetzt, weshalb ich im Büro anrufen und mir noch einen Tag freinehmen muss. Der Tauchgang findet im Versuchspool statt, einem knapp zweihunderttausend Li­ter fassenden Indoor-Frischwasserbecken, ungefähr viermal neun Meter groß und vier Meter tief. Eileen zeigt mir alles. Es gibt ein Medizin- und Ingenieursdeck, eine Kommu­ni­ka­­tionsebene, volle Videoüberwachung, Druck- und Gas-Über­wachung. Es werden ungefähr sechs Personen zugegen sein, erklärt sie mir, darunter ein Arzt und ein Sportwissenschaftler. Sie gibt mir einen Badeanzug, Badekappe und Schwimmbrille. Keine Flip-Flops, was mich enttäuscht. Ich sage ihr, ich hätte gern grüne gehabt, passend zur Badekappe. Sie lächelt nett, weil ich so gut mitspiele.
    Sie erklärt, dass ich im Wasserbecken eine Schwimmhilfe bekommen werde, wie ich sie ja auch im Meer hatte, obwohl mir wieder und wieder gesagt wurde, Bewegung sei unerlässlich, um die Körpertemperatur aufrechtzuerhalten. Ein an meinem Brust­korb befestigter und mit einem Laptop verbundener Sender wird Puls und Atemfrequenz protokollieren, und mit einer Wärmebildkamera werden sie den Wärmeverlust messen. Der Schwimmversuch wird dauern, bis eine Fortsetzung gefährlich für mich wird – wie lange auch immer das ist. Vielleicht eine ­Minute, vielleicht eine Stunde, oder vielleicht auch vier. Aber ich versuche, nicht so weit vorauszudenken. Sie erklärt mir ­allen Ernstes, ich solle keinesfalls vorher mit dem Zeh die Was­ser­temperatur prüfen, und da hätte ich beinahe hysterisch gelacht. Jetzt kann ich an nichts anderes mehr denken als an den anfänglichen Schmerz und Schock. Der Pool unterstützt Temperaturen von einem bis vierzig Grad Celsius. Ausgehend von den ­Ergebnissen der bisherigen Tests, wird die Navy den Temperaturregler für mich auf betäubende vier Grad stellen.
    Patriotismus ist die einzige Motivation, die mir zu dem Wagnis dieses bizarren Experimentes einfällt, und der reicht bei mir nicht bis um die nächste Ecke. Ich vermute, dass ich auf einer tieferen Ebene außerdem mit dem menschlichen Bedürfnis geschlagen bin, wissen zu wollen, wer und was ich bin.
    *
    Ich verbringe den Sonntagmorgen am Strand, esse zu Mittag und kehre ins Hotel zurück. Ich schlafe ein und schrecke aus einem Alptraum über das Ertrinken auf. Fast war er schlimmer als die Wirklichkeit, da er in meinem eigenen Kopf entstanden ist. Meine Lungen fühlen sich an wie vom Salzwasser verätzt; auf meinen Lippen befinden sich Phantomspuren von

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