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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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genauso gedankenlos mit Nebelkerzen um sich, wie sie ausatmet.
    »Aber warte«, sagt sie plötzlich. »Das musst du dir ansehen.« Aus den Falten der Tasche fischt sie den großen, braunen Briefumschlag, mit Eselsohren vom Hineinstopfen. Sie öffnet ihn und gibt mir die Eigentumsurkunde und den Kaufvertrag.
    »Was?«
    »Sieh mal«, sagt sie ungeduldig und zeigt auf die Zeilen, in denen der Verkäufer und der Käufer stehen. »Ned hat die Molly Jones von Ocean Catch gekauft.« Sie blättert zu dem Kaufvertrag. »Für einen Dollar.« Sie starrt mich an. »Verstehst du?«
    »Bin nicht ganz sicher.« Mein Kopf ist eine Melasse, die nicht umgerührt werden will. »Vielleicht. Ja, ich denke schon.«
    »Selbst gebraucht ist so ein Boot wahrscheinlich über hunderttausend Dollar wert.«
    »Es war ein Geschenk.«
    »Genau. Und nun sieh auf das Datum. Es wurde gekauft, nachdem er gekündigt hatte . Warum würden sie so etwas tun?«
    »Als Abfindung?«, sage ich und greife nach Strohhalmen.
    »Ich bitte dich, Ocean Catch? Der gierigste Bastard der Umgebung. Der einzige Grund, warum die Leute da arbeiten, ist, dass sie die letzte große Fischfabrik der Gegend sind. Und es gibt ständig Kündigungen. Niemanden kümmert es, wenn man geht.«
    »Aber Ned hat zwanzig Jahre dort gearbeitet, also waren sie vielleicht der Ansicht, sie würden ihm eine Art Belohnung für seine Treue schulden.«
    »Eine goldene Uhr vielleicht. Aber einen Hummerkutter? Ich weiß nicht.«
    Die Rechnung beschreibt die Molly Jones als Stahlblech-Offshore-Hummerkutter von Gamage, mit einer Länge von vierzehn Metern, einem Gewicht von sechsundzwanzig Tonnen und einem 2500-Liter-Dieseltank.
    »Er hat mir mal erzählt, dass es ihn angeekelt hat, wie Ocean Catch gefischt hat«, erklärt Thomasina. »Er hat nicht gesagt, warum, aber ich denke, sie müssen entweder ihre Quoten überschritten oder illegale Schleppnetzfischerei betrieben haben. Sich nicht an die Regeln für eine nachhaltige Fischerei gehalten haben. Aber überrascht hat’s mich schon, weil er sich früher nie um solche Sachen geschert hat. Sollen sich doch die Umweltschützer um die Umwelt kümmern , hat er immer gesagt.«
    »Wenn Ned das Unternehmen kritisiert hat, warum sollten sie sich ändern und ihm ein Boot kaufen?«
    »Richtig! Davon rede ich doch die ganze Zeit! Und er hat so plötzlich gekündigt. Hat nie auch nur ein Wort darüber verloren, dass er überhaupt daran denkt zu kündigen, und dann ist er auf einen Schlag weg. Ist ausgestiegen. Und quasi am nächsten Tag fährt er mit der Molly Jones auf Hummerfang.«
    Wir sitzen immer noch in meinem Auto auf dem Parkplatz. Die Backstein-Rückseite meines Wohnblocks ragt vor der dreckigen Windschutzscheibe auf. Die Sonne hat sich inzwischen ein kleines Stück des östlichen Himmels erobert. Ich sehe im Rückspiegel, dass eine meiner Nachbarinnen ein wirklich früher Vogel ist. Sie steigt in ihr Auto und fährt weg.
    Ich streiche die Dokumente auf meinem Schoß glatt und gehe sie noch einmal durch. Unten auf der Rechnung ist eine handschriftliche Widmung, nur ein Satz in einer engen, anmutig kursiven Handschrift, eine, wie sie vor Jahren an den Pro­vinz­schulen gelehrt wurde. Möge der Wind immer in Deinem Rücken sein. Alles Gute, Libby.
    Thomasina und ich schweigen, denken über alles nach. Ned. Das Boot. Kündigung. Ocean Catch. Eine metaphorische Wand, passend zu der, auf die wir schauen.
    »Übrigens, hast du Neds Computer gestohlen?«, frage ich.
    »Seinen Computer gestohlen? Nein, natürlich nicht.«
    »Phyllis denkt das aber.«
    »Hat sie dir das gesagt?«
    »Sie hat eine hässliche Nachricht auf deinem Anrufbeantwor­ter hinterlassen.«
    »Himmel, was für eine Hexe.«
    »Keine Einwände.«
    »Seine Schwester hat ihn wahrscheinlich für die Kinder mitgenommen.« Thomasina rutscht auf dem Sitz hin und her, dreht ihren Kopf und sieht aus dem Beifahrerfenster. Die zusätzliche Distanz hilft ihr, etwas Schwieriges, Persönliches zuzugeben. »Ich mache mir Sorgen, Pirio. Wegen mir und Noah.«
    »Das solltest du auch. Du steckst tief in der Scheiße, und du tust ihm weh.«
    Sie lacht kurz, ironisch. »Was für eine Freundin sagt einem denn so etwas?«
    »Eine ehrliche.«
    Sie seufzt. »Ich weiß, ich muss etwas unternehmen. Ich muss mein Leben in den Griff bekommen.«
    »Es ist viel konkreter als das. Du musst aufhören, zu trinken und Drogen zu nehmen.«
    Sie dreht sich abrupt zu mir um und kann ihre Wut nicht unterdrücken. »Ich

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