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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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seine Army-Jacke ab. »Es war in meiner Tasche.«
    »Wir suchen es, sobald wir zu Hause sind«, sagt sie durch zusammengepresste Lippen.
    Wir alle sind so angespannt, als stünden wir neben einer tickenden Zeitbombe.
    »Mom?«, fleht Noah sie an, bitte, sei lieb zu mir .
    Sie beugt sich zu ihm. »Du brauchst ein Handy, Noah. Du musst eins haben. Ich möchte nicht, dass du ohne aus dem Haus gehst. Oder ohne Handy zu Hause oder sonst wo bist. Nicht eine Minute. Verstehst du?« Sie muss nicht erklären, warum sie das so unbedingt will. Wir alle wissen, er braucht ein Handy für das nächste Mal, wenn sie wieder Scheiße baut.
    Plötzlich ist Noah den Tränen nahe. »Mom! Was ist, wenn ich’s aber nicht finde?«
    »Du musst es finden, Noah!«
    »Aber ich hab doch schon gesucht!«
    Die Verzweiflung in der Stimme ihres Sohnes beginnt Thomasina von dem teuflischen Ort zurückzuholen, an dem sie gerade ist.
    »Komm, lass es ruhig angehen«, murmele ich.
    Sie blinzelt einige Male und legt sich eine Hand auf die Stirn. Dann seufzt sie und kniet sich vor ihn. »Ach, mein Süßer. Es tut mir leid. Es wird schon wiederauftauchen. Und wenn nicht, kaufen wir dir ein neues. Alles in Ordnung mit dir? Entschuldige, dass ich dich erschreckt habe. Ich bin im Moment ein bisschen angespannt. Oh, Noah. Bitte, verzeih mir.« Sie zieht ihn an sich, und er bleibt eine Zeitlang still und fest an sie gedrückt stehen.
    Sie schaut zu mir auf und sieht mir eine ganze Weile in die Augen. Ihre sind matt, aber sie leuchten auch. Ich sehe, wie sehr sie sich um ihn kümmern möchte, und doch fleht sie mich um Hilfe an.

Kapitel 11
    D er Lastenaufzug ist klapprig und riecht nach dem Fisch der Verarbeitungsfabrik im Erdgeschoss. Langsam tuckert er am ersten Stock vorbei, bleibt im zweiten mit einem Ping stehen und öffnet seine Türen in eine andere Welt: eine luftige, geräumige Büroetage mit Teppichboden, die von hellen Lampen erleuchtet wird. In der Mitte des Raumes drängen sich ein halbes Dutzend wabenförmig angeordnete Arbeitsplätze in mattem Beige und Grau. Niemand da, obwohl es erst halb fünf ist, und noch dazu an einem Dienstag. Zur Linken befinden sich zwei Büros mit Glaswänden und halb durchscheinenden Vorhängen. Auch sie sind leer. Zur Rechten schaut man aus bescheidener Höhe durch hohe, saubere Fenster auf den Hafen von Boston.
    Ich setze meinen Weg in die Bürolandschaft fort. Niemand hält mich auf. Ich bin hier ein unbefugter Besucher. Dies plus die Tatsache, dass ich selbst wieder früher im Büro Schluss gemacht habe, gibt mir das alte Gefühl von Schule schwänzen, eine Mischung aus Schuld und Nervenkitzel. Als ich zu einem Flur auf der rechten Seite komme, höre ich Stimmen hinter der letzten Tür. Ich gehe in diese Richtung, bin mir durchaus bewusst, dass der Teppich meine Schritte dämpft, und beruhige mich, dass ich keinen Grund dazu habe, mich so zu fühlen, als würde ich herumschleichen. Ich bin nur auf der Suche nach ­Informationen. Allerdings sind es Informationen, die mir eigentlich nicht so richtig zustehen.
    Die Stimmen erblühen zu einem fröhlichen Gewirr, als ich den Raum betrete. Es ist eine Kantine, mit einem großen, runden Tisch und einer Küchenzeile. Ein Kühlschrank, eine Spüle und eine Pinnwand aus Kork, mit diversen Ankündigungen dar­an. Zehn oder zwölf Leute sind um den Tisch versammelt, überwiegend Frauen, meistens mittleren Alters. An der Küchenzeile kleben Ballons, und ein leuchtend rotes Banner verkündet: »Herzlichen Glückwunsch, Libby!«
    Niemand bemerkt mich. Alle schauen auf die grauhaarige Frau, die ein Plastikmesser in die Höhe hält. Sie trägt eine schon etwas ältere grüne Strickjacke und hat sich verknöpft, eine Seite ist länger als die andere. Dazu schwere grüne Cordhosen und eine große, runde Kunststoffbrille. Sie kann kaum größer sein als eins fünfzig. Auf ihrem faltigen Gesicht liegt ein breites Strahlen. »Ihr seid zu süß. Jeder Einzelne von euch. Zu süß!«
    »Wirst du wieder französisch sprechen, Libby?«
    »Tout de suite, tout de suite!« , sagt sie lachend. »Jetzt habe ich alle Zeit der Welt, Französisch zu lernen und Jasper mit nach Paris zu nehmen. Er wird so niedlich aussehen mit einem Barett!«
    »Was wirst du noch alles machen?«, fragt jemand.
    »Ich werde Malunterricht nehmen, meine Liebe. Ölmalerei. Das wollte ich immer schon lernen. Ich werde Malerin werden, eine Vertreterin des abstrakten Expressionismus!«
    »Wir werden dich vermissen,

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