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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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energischen Schritten zum CR-V zurückkehrt.
    Das Auto wird durch einen schweren Schlag gegen die Fah­rertür erschüttert. Wozniak schreit auf. Weitere dumpfe Schläge folgen – fest, dumpf, rhythmisch. Ich höre Wozniaks leises Stöhnen. Die Schläge gehen auf ihn nieder wie Steine und folgen ihm, weg vom Wagen, bis ich nichts mehr höre.
    Mir ist übel vor Entsetzen. Ich stoße den Anorak zur Seite und krieche auf den Fahrersitz. Die Scheibe neben mir ist blutbespritzt. Wozniak ist mitten auf der Straße zu Boden gegangen. Drei Männer stehen über ihm und bearbeiten ihn im fahlen Licht einer Straßenlaterne mit Tritten und Rohren.
    Der Motor des CR-V läuft noch. Das Licht der Scheinwerfer fällt auf eine schwarze Limousine, die keine zwei Meter von der vorderen Stoßstange entfernt steht. Neben ihr steht ein Mann in einer Daunenweste.
    Scheiße. Der Oyster Man.
    Er sieht mich nicht. Niemand hat mich gesehen.
    Ich schiebe den Automatikhebel auf D und trete das Gaspedal voll durch.
    Der CR-V kracht gegen die Limousine, keinen halben Meter neben Johnny. Ich werde nach vorn geschleudert, während der Airbag sich aufbläst und mir vor die Brust und ins Gesicht schlägt. Atemlos und benommen pralle ich zurück. Ich gehe in den Rückwärtsgang, trete wieder das Gaspedal durch und krache gegen den hinter mir stehenden Wagen.
    Vorwärtsgang, erneuter Aufprall. Ich kann absolut nichts sehen, denn der Airbag hüllt mich praktisch ein, aber das spielt keine Rolle.
    In den Rückwärtsgang, Aufprall.
    Schalten, Aufprall.
    Schalten –
    Durch die Seitenscheibe sehe ich die Schläger zu ihren Autos laufen, bevor es mir gelingt, sie komplett zu Schrott zu fahren. Ich drücke den Airbag weit genug nach unten, um durch die Windschutzscheibe sehen zu können. Johnny ist weg. Ehe ich die Limousine erneut rammen kann, gibt sie Gas. Der Wagen hinter dem CR-V schert aus, folgt und rast um Haaresbreite an Wozniak vorbei, der zusammengerollt wie ein Fötus mitten auf der Straße liegt.
    Ich blinzle, hole tief Luft. Dann drücke ich den Rest des Airbags runter und steige aus dem Wagen. Wozniaks gesunder Arm hebt sich, als grüße er ein vorbeifahrendes Schiff, und fällt wieder zu Boden. Er drückt sich auf einen Ellbogen hoch, als ich neben ihn trete, und hebt sein grauenvoll blutverschmiertes Gesicht. »Wer ist da?«
    »Pirio Kasparov.«
    »Oh, Sie.« Er tastet mit der flachen Hand den Boden ab.
    Ich hebe seine Brille vom Asphalt auf und lege sie in seine Hand. »Willkommen im Land der zweiten Chance.«
    Er setzt die Brille auf und starrt zu mir auf. »Pirio Kasparov. Tatsächlich.«
    Ich helfe ihm auf die Beine. Mit einem Arm um meinen Hals humpelt er zum Auto und möchte auf der Fahrerseite einsteigen.
    »Oh, nein. Ich hab genug von Ihren Fahrkünsten.« Ich bugsiere ihn um die Schnauze des CR-V herum zur Beifahrerseite.
    Auf halber Strecke bleibt er stehen und begutachtet den erheblichen Schaden. »Was zum Teufel haben Sie mit meinem Auto gemacht?«
    »Nichts, was in einer Werkstatt nicht wieder in Ordnung gebracht werden könnte.«
    »Scheiße, fährt’s denn überhaupt noch?«
    »Das werden wir gleich sehen.«
    Es fährt noch, wenn auch ein wenig stockend. Ein Teil des Radkastens ist bis zum rechten Vorderreifen eingedrückt. Die Vorwärtsbewegung wird durch starke Reibung gebremst und von einem unangenehmen Schrammeln begleitet, während das Reifengummi schichtweise abgehobelt wird. Außerdem ist da noch so ein Jaulen und Kreischen von wer weiß woher.
    Er beginnt mit der Wegbeschreibung, vermutlich zu seinem Haus. Wir hoppeln die Summer Street entlang, biegen ächzend rechts auf die Atlantic Ave ab, dann weiter auf der Cross Street und schließlich rechts, auf die Salem, wo wir sechs oder sieben Blocks weit fahren. Der befahrbare Teil der Straße ist schmal, die Backsteinbürgersteige sind schmal, die Ziegelreihenhäuser sind schmal. Alles im North End ist schmal. Vor Haus­nummer 180 halten wir, direkt hinter der Old North Church. Parkende Autos stehen dicht an dicht auf einer Seite der Einbahnstraße und auch überall sonst, wo sie hineinpassen, mit Ausnahme eines Abschnitts vor der Kirche, denn dort ist Parken verboten.
    »Das Parken hier ist beschissen«, erklärt Wozniak.
    »Sie müssen nicht in jedem Satz solche Worte benutzen, wissen Sie?«
    »Tut mir leid. Ich bin kurz davor, meine Zähne auszuspucken.« Er steckt einen Finger in den Mund und zieht ihn blutverschmiert wieder raus. Er seufzt. »Mir ist eigentlich gar

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