Die Frau die nie fror
nicht wiederzuerkennen.«
Er blinzelt. Nicht sicher, was er davon halten soll.
»Ich bin keine von denen, falls Sie das jetzt denken.«
Er löffelt Kaffeepulver in die Kaffeemaschine, während er sich das durch den Kopf gehen lässt. »Als wir uns kennenlernten«, sagt er schließlich, »habe ich gedacht, Sie könnten zu denen gehören. Sie waren auf der Molly Jones , als sie unterging, also mussten Sie bis zu einem gewissen Grad mit Rizzo zusammenarbeiten. Doch als Sie mich in dem Café nach Informationen gefragt haben, wurde mir klar, dass Sie eigentlich nicht besonders viel wissen.«
»Wie wär’s denn, wenn Sie mir erzählen, was ich nicht weiß.«
»Hören Sie, es könnte gefährlich werden. Diese Leute … sie sind –«
»Ich bitte Sie. Glauben Sie, ich weiß das nicht? Ich habe eben erst gesehen, was sie mit Ihnen gemacht haben.«
Er verschwindet ins Wohnzimmer, kehrt mit dem Bildband über Wale zurück und gibt ihn mir. Das Umschlagfoto zeigt einen schwarzen Wal, der sich majestätisch aus dem Meer erhebt. Der Wal scheint sich leicht in der Luft zu drehen, zeigt seine weiße Unterseite. Die Stirn seines massigen, eckigen Kopfs ist von schmuddeligen, weißen und hellgrauen Geflechten verunstaltet, die wie dicht zusammengedrängte Pocken oder schuppige Wucherungen einer merkwürdigen Krankheit aussehen. Nicht weit vom Rand seines furchterregenden Mauls sitzt ein winziges schwarzes Auge im Walspeck.
»Der Atlantische Nordkaper«, sagt er. »Noch vor zehn Jahren war er massiv vom Aussterben bedroht, genau wie sein Cousin, der Südkaper. Nach dem internationalen Jagdverbot ist die Zahl der Südkaper sprunghaft angestiegen. Der Atlantische Nordkaper hat sich jedoch nicht erholt. Auf der ganzen Welt gibt es nur noch etwa zweihundertfünfundsiebzig Tiere. Diese Wale sind heute mehr als je zuvor vom Aussterben bedroht.
Manche Leute meinen, durch Kollisionen mit Schiffen sterben sie so schnell, wie sie sich auf der anderen Seite vermehren. Das ist durchaus möglich, da ihre Wanderrouten direkt die Schifffahrtslinien kreuzen. Auf öffentlichen Druck hin wurde der Verkehr in der Bay of Fundy, wo die Wale den größten Teil des Jahres über leben, um einige Grad verlegt. Folgenschwere Begegnungen mit Schiffen wurden deutlich reduziert, aber die Population ist immer noch niedrig.
Jetzt überlegt man, ob es am Fanggerät liegen könnte. Wir wissen, dass Wale sich in Netzen und Langleinen verfangen, denn wir kennen die Narben auf den Körpern der Tiere, die sich befreien konnten. Andere ertrinken womöglich oder sterben an Hautinfektionen durch die Schnittwunden. Es gibt Bemühungen, die Leinen aus anderen, weicheren Materialien herzustellen. Die Wahrheit ist jedoch, kein Mensch weiß, was da draußen wirklich passiert.«
Er starrt mich mit trockenen Augen und aufeinandergepressten Lippen an. Das Wasser in der Kaffeemaschine blubbert nicht mehr, aber er macht keinerlei Anstalten aufzustehen. Ich habe eine vage Vorstellung davon, worauf er hinauswill, aber es ist schwer zu glauben.
»In Japan gilt Walfleisch als Delikatesse«, sagt er.
»Aber die Sea Wolf kann ja wohl kaum so viele Wale an Bord nehmen, oder?«
»Ich habe keine Ahnung, wie viele Wale getötet werden müssten, um eine Erholung der Population zu verhindern. Ich habe nicht einmal eindeutige Beweise dafür, dass genau das passiert. Aber ich vermute, dass Ocean Catch und Soga irgendwie zusammenarbeiten, und jetzt weiß ich, dass ich an was dran bin.« Etwas unbeholfen und auch zornig holt er mit einer Hand Tassen, Milch und Zucker für uns.
Plötzlich begreife ich, dass er derjenige sein muss, der in meine Wohnung eingebrochen ist. Wahrscheinlich, weil er genau wie bei Hall und Jacobsen auch meine Festplatte kopieren wollte. Und wo er schon mal da war, muss er ebenfalls mein Telefon verwanzt haben. Zweifellos hat er die Nachricht über die Reinigungsfirma bei Ocean Catchgehört, die Mrs Smith auf meinen AB gesprochen hatte. Daher wusste er auch, an welchem Abend er problemlos in die Büros kommen konnte. Deshalb hat er mich auch immer noch nicht gefragt, wie ich in seinem Auto gelandet bin. Er wusste, dass ich ebenfalls dort sein könnte, und ließ es einfach drauf ankommen, mir zu begegnen. Wahrscheinlich weiß er aber nicht, dass ich in Jacobsens Büro war und ihn beobachtet habe.
»Sie haben mein Telefon angezapft«, sage ich.
»Nein, habe ich nicht.«
»Doch, das haben Sie. Sie sind in meine Wohnung eingebrochen und haben mein Telefon
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