Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)
einmal erledigt werden musste.«
»Was denn genau? Woran arbeitest du gerade?«
»Das ist schwer zu erklären.«
»Kannst du es nicht wenigstens versuchen?«
Er seufzte. »Ja, aber bitte nicht heute Abend. Okay?«
Kate starrte ihn an. Sie antwortete nicht sofort, obwohl sie beide wussten, was sie sagen würde. Und ihnen war beiden klar, dass die kurze Stille lediglich die verdeckte Bekundung ihres Protests war: Je länger das Schweigen andauerte, desto schärfer ihr Protest. »Okay«, sagte Kate nach ein paar Sekunden. »Aber vielleicht willst du mir ja endlich den Namen deines Kunden verraten.«
Wieder seufzte er. »Katherine, ich –«
»Ich habe dir schon mal gesagt, nenn mich bitte Kate.«
Er starrte sie finster an. »Ich habe es dir doch schon erklärt, Kate . Jeder in dieser Stadt arbeitet für eine Bank. Es wäre nicht gut – nein, sogar regelrecht schädlich –, wenn die Mitbewerber meines Kunden wüssten, dass sie einen Sicherheitsexperten aus den Staaten für die Überprüfung ihrer Abläufe engagiert haben.«
»Wieso?«
»Das ist ein Zeichen der Schwäche. Der Unsicherheit. Diese Art von Informationen könnten unsere Mitbewerber gegen uns verwenden. Sie könnten uns unsere Kunden abspenstig machen, indem sie behaupten, dass ihre Konten bei uns nicht mehr sicher sind. Nicht einmal die Mitarbeiter meines Kunden sollten wissen, dass es mich gibt.«
»Okay, das verstehe ich ja, aber wieso kannst du es mir nicht verraten?«
»Weil es nicht gut wäre, Kat. Kate . Die Namen dieser Banken sagen dir im Moment sowieso nichts. Aber früher oder später wirst du erfahren, dass vielleicht der Ehemann einer deiner Freundinnen für meinen Kunden arbeitet. Und sie könnte dir auf die Pelle rücken und nach ein, zwei Drinks versuchen, dich auszufragen. Nach dem Motto: ›Ach, Kate, komm schon, mir kannst du es doch sagen.‹ Dann würdest du mächtig in der Klemme stecken. Weshalb sollten wir das riskieren?« Er schüttelte den Kopf. »Es bringt doch nichts.«
»Es bringt nichts? Deiner eigenen Frau gegenüber ehrlich zu sein?«
»Nein, Schatz. Es bringt nichts, dir etwas zu erzählen, das du dann nur geheimhalten musst. Und zwar vor allen. Das ist ein ziemlich großer Nachteil. Ohne einen einzigen Vorteil.«
Geheimnisse. Was verstand Dexter schon von Geheimnissen? »Und was soll ich den Leuten dann erzählen?«
»Die Wahrheit. Dass die Vertragsbedingungen es mir untersagen, den Namen meines Kunden preiszugeben.«
»Auch deiner Frau?«
»Das wird niemanden wundern. Die gesamte Wirtschaft beruht auf Geheimniskrämerei.«
»Trotzdem«, beharrte sie. »Es klingt grauenhaft. So … unpartnerschaftlich.« Sie konnte nur staunen, mit welcher Beharrlichkeit sie Dexter genau die Verfehlungen vorwarf, derer sie sich selbst seit Jahren schuldig machte.
»Es wird überhaupt keine Probleme geben«, erklärte er. »Vertrau mir.«
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Dexter saß hinter dem Steuer ihres gemieteten Volvos und zog auf der Suche nach einem Parkplatz weite Kreise um das Botschaftsgebäude – eigentlich waren es keine Kreise, sondern eher ein leicht verzerrtes Fünfeck mit reichlich holprigem Straßenbelag. Endlich fanden sie eine schmale Lücke unter einer Kastanie, deren Blätter und Früchte auf dem Boden verstreut lagen. Kein ungefährliches Terrain, da die Kastanien die Angewohnheit hatten, einem direkt auf den Kopf zu fallen, wenn man nicht damit rechnete.
Vor dem Sicherheitsschalter standen ein paar Leute und warteten darauf, von den Wachleuten durchgewunken zu werden. Nachdem die Taschen durchleuchtet worden waren, wurden die Besucher durch den Garten und in einen kleinen Warteraum im Konsulatsgebäude geführt, wo sie weitere fünf, zehn oder fünfzehn Minuten ausharren mussten.
Kate war schon einmal hier gewesen, vor vielen Jahren, nur hatte sie damals nicht warten müssen.
Sie wurden aufgerufen. Kate und Dexter betraten ein winziges Kabuff mit einer Panzerglasscheibe, die die gesamte Wand einnahm und hinter der ein uniformierter Beamter saß.
»Guten Morgen«, sagte er. »Ihre Pässe, bitte.«
Sie schoben ihre Pässe durch den Schlitz. Er nahm die Dokumente in Augenschein, dann wandte er sich seinem Computer zu. Ein, zwei Minuten lang herrschte völlige Stille im Raum. Kate hörte das Ticken der Uhr auf der anderen Seite der Glasscheibe. Der Mann klickte auf seine Maus, bewegte den Cursor hin und her, tippte etwas auf seiner Tastatur. Mehrere Male hob er den Kopf und musterte Dexter und Kate durch die dicke
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