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Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Titel: Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Pavone
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Friseur. In Luxemburg gab es jede Menge Frauen mit schlecht sitzenden Frisuren, und sie konnte nicht verhindern, dasselbe Schicksal zu erleiden, weil sie aufgrund ihrer mangelnden Sprachkenntnisse nicht verständlich machen konnte, dass sie das übliche Programm – Stufenschnitt und Pony – nicht haben wollte.
    Sie kaufte Jalousien und Teppiche, Tischsets und Duschablagen.
    Sie kaufte einen separaten Handtuchhalter fürs Badezimmer, den sie auch selbst anschraubte. Was den Kauf einer Bohrmaschine erforderlich machte.
    Sie traf sich mit anderen Frauen zum Kaffeetrinken oder zum Mittagessen. Meistens mit Julia, manchmal aber auch mit Amber oder Claire oder sonst jemandem. Sie versuchte es mit Holländerinnen, Schwedinnen, Deutschen und Kanadierinnen. Sie war ihre eigene Botschafterin.
    Und ihre eigene Babysitterin. Sie lag mit den Jungs auf dem Boden und baute Häuser aus Lego oder Bauklötzen, machte 36-Teile-Puzzles und las ihnen ein Buch nach dem anderen vor.
    Gelegentlich sah sie bei einer gemeinsamen Mahlzeit ihren Mann. Aber nicht sehr oft. Dexter arbeitete jeden Tag bis spät in die Nacht und auch an den meisten Wochenenden.
    Sie freute sich auf die Abende zu zweit, die nur zu oft wegen beruflicher Verpflichtungen oder einer Dienstreise gestrichen wurden. In Washington war ihr das nie wichtig gewesen, doch brauchte sie diese Gelegenheiten, ihren Hausfrauenalltag mit ihm zu teilen und ein wenig Mitgefühl und Wertschätzung von ihm zu bekommen.
    Dabei schien so wenig von ihrer täglichen Arbeit wirklich wertvoll zu sein. Sie ging in der Wohnung herum, hob Spielsachen und Kleidungsstücke auf, strich Kissen glatt, sortierte Unterlagen. Sie wusch den Jungs die Haare, unterwies sie in der Kunst des Hinternabwischens, brachte ihnen bei, jeden Zahn ordentlich zu putzen und in die Kloschlüssel zu pinkeln, nicht nur grob in ihre Richtung.
    Sie ging einkaufen und schleppte die Tüten nach Hause. Sie machte Frühstück, strich Pausenbrote, wusch das Geschirr ab und kochte das Abendessen. Sie saugte Staub, wischte auf und räumte herum. Sie sortierte die Wäsche, wusch sie, faltete sie zusammen, legte alles in die Schubladen oder hängte es auf.
    Und wenn sie fertig war, fing alles wieder von vorn an.
    Und ihr Mann hatte keine Ahnung davon. Er wusste genauso wenig, was sie tat, wie damals in Washington, wo sie ihre Tage mit völlig anderen Dingen verbrachte, als sie behauptet hatte.
    So wie Kate jetzt nicht wusste, was er den ganzen Tag machte.

Heute, 11:09 Uhr
    »Bonjour«, sagt Dexter am Telefon. »Comment ça va?«
    Kate sieht sich in der Galerie um, die bis auf das spanische Pärchen leer ist. Der Mann, der sich offensichtlich für einen großen Kunstkenner hält, schwadroniert mit leiser Stimme weiter.
    »Ça va bien«, antwortet Kate.
    Vor einem Jahr sind sie von Luxemburg nach Paris gezogen, zu Beginn des neuen Schuljahrs. Eine neue Schule in einer neuen Stadt in einem neuen Land. Zu Silvester ist Kate zu der Erkenntnis gelangt, dass sich ihr Französisch nicht besonders verbessert hat. Deshalb hat sie Dexter überredet, dienstags und donnerstags ausschließlich französisch mit ihr zu sprechen. Heute ist Donnerstag. Neun Monate später. Doch diese Unterhaltung muss sie auf Englisch führen. Sie müssen auf einer anderen Ebene kommunizieren.
    »Ich bin gerade einer alten Freundin in die Arme gelaufen«, sagt sie. »Julia.«
    Dexter schweigt eine Sekunde lang. Kate bedrängt ihn nicht. Sie weiß, dass er darüber nachdenken muss, was das zu bedeuten hat. »Quelle surprise«, sagt er schließlich tonlos. »Lange her.«
    Weder Dexter noch Kate haben Julia seit ihrer eiligen, wenn auch nicht ganz unerwarteten Abreise aus Luxemburg im vorletzten Winter gesehen.
    »Schaffen wir es, heute Abend mit ihnen was trinken zu gehen? Bill ist auch hier.«
    Wieder hält Dexter kurz inne. »Okay. Macht bestimmt Spaß, über alte Zeiten zu plaudern.«
    »Ja«, bestätigt Kate, obwohl sie keineswegs an den Spaß denkt, der ihnen bevorsteht. »Wie wär’s um sieben in diesem Café im Carrefour de l’Odéon?«
    »Klar«, sagt Dexter. »Das ist perfekt.«
    Das Café liegt um die Ecke ihrer Parkgarage und einen halben Block von der nächsten Métro-Station entfernt. Es hat winzige, fensterlose Toiletten, keine Hinterzimmer und keinen Hinterausgang. Niemand kann sich dort verstecken oder hinterrücks hereinschleichen. Die Tische auf der terrasse bieten einen ungehinderten Blick über die gesamte Kreuzung. Es ist der perfekte Ort

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