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Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mawer
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Niels Bohr, der dänische Physiker, der bedeutendste Mann seit Einstein.«
    Natürlich erinnert sie sich. Bohr verkörperte alles, was Clément bewunderte – das geduldige Genie, das mit verblüffenden Ideen aufwartete, während alle um ihn herum sich ratlos am Kopf kratzten, der Mann, der Revolutionen in Gang setzte und seinen Jüngern, die sich in seinem Gefolge abstrampelten, väterlich unter die Arme griff. Wenn ich jemand anders sein könnte, hatte er einmal gestanden, dann wäre ich gern Niels Bohr. Der Gedanke kam ihr damals absurd vor. Wie konnte man sich wünschen, jemand zu sein, der man nicht war? Und doch ist sie jetzt Anne-Marie Laroche, eine Person, die sie nicht ist.
    »Bohr war die ganze Zeit in Kopenhagen, seit Kriegsbeginn, genau wie Fred hier in Paris, und hat auch unter der deutschen Besatzung seine Forschungen friedlich weiterbetrieben. Aber Ende letzten Monats ist er von zu Hause verschwunden und in Schweden wieder aufgetaucht. Und jetzt geht das Gerücht, er wäre nach England gegangen. Bohr ist bekennender Pazifist. Er hätte ohne Weiteres in Schweden bleiben und an die Nationen der Welt appellieren können, sich in Frieden und Eintracht zu vereinen, und doch ist er anscheinend nach England gegangen.«
    »Worauf willst du hinaus?«
    »Sammeln die da Physiker?, frage ich mich. Überleg mal, wen sie schon alles haben: Chadwick natürlich und Cockcroft und nicht ganz so große Koryphäen wie Oliphant und Feather. Aber vor allem die Juden, die noch vor Kriegsbeginn geflohen sind.« Er zählt sie an den Fingern ab. »Frisch, Szilárd, Peierls, Franz Simon, ein Dutzend andere. Und dann haben sie noch Perrin, von Halban und Kowarski vom Collège. Fermi ist schon in den USA , genau wie Bruno Pontecorvo, der vor ein paar Jahren hier unter Fred gearbeitet hat, und Teller und einige andere. Und jetzt haben sie Bohr.« Er blickt sie an. »Wenn man sieht, dass sich die meisten Großmeister der Welt versammeln, kann man davon ausgehen, dass da eine Partie Schach stattfinden wird.«
    »Ein Kriegsspiel vielleicht.«
    »Vielleicht im wahrsten Sinne des Wortes.« Er stochert eine Weile in seinem Essen herum, ehe er wieder aufblickt. »Hast du überhaupt eine Ahnung, wovon ich rede?«
    Ist dies der Moment, es ihm zu sagen? Sie zögert nur den Bruchteil einer Sekunde. »Ja, hab ich, Clément. Ich weiß genau, was los ist. Ned hat es mir erzählt.«
    Sein Gesichtsausdruck verändert sich kaum. »Was hat er gesagt?«
    »Er hat gesagt, es läge auf der Hand, die meisten relevanten Informationen seien vor dem Krieg veröffentlicht worden, sodass jeder dahinterkommen könnte.« Sie spürt das Bedürfnis, ihren Bruder in Schutz zu nehmen, als habe er sich dadurch, dass er es ihr erzählt hat, irgendwie eines abscheulichen Verbrechens schuldig gemacht. »Ich hab ihn praktisch gezwungen, es mir zu erzählen. Ich hab seine Situation ausgenutzt, ihm vorgeworfen, seine Arbeit wäre ihm wichtiger als seine Familie, so was eben. Ich bin richtig unfair geworden, hab ihm unterstellt, er wäre ein Feigling, dabei hat er doch alles versucht, um seine Forschung aufgeben zu können und Soldat zu werden.«
    »Und was hat er dir erzählt?«
    »Er hat es nicht direkt ausgesprochen. Er hat nur gesagt, dass es möglich wäre. Eine Bombe zu bauen.«
    Es wird totenstill. Um sie herum bloß die nackte, funktionale Küche, der Fliesenspiegel, das Spülbecken, die Abtropfbretter und die Fenster mit dem Verdunkelungsvorhang davor. Da die Stromversorgung nur niedrige Spannung liefert, glimmen die Glühbirnen wie in dumpfer Wut.
    »Das hat er dir erzählt?«
    »Es könnte sein, hat er gesagt, es könnte sein, dass sie an einer Atombombe bauen.«
    Er sieht sich um, als suche er nach einem Ausweg. Aber sie sind in einer impasse . »Ist Ned daran beteiligt?«, fragt er. »Direkt, meine ich. Arbeitet er mit daran?«
    »Nicht direkt, nein. Glaube ich jedenfalls.« Sie zögert einen Moment, sieht ihn an, als erhoffe sie sich eine Art Beruhigung von ihm. »Besteht denn die Möglichkeit, Clément?«
    Er nickt. »O ja, es ist möglich. Es ist auf jeden Fall möglich.« Er steht auf und geht hinüber zum Fenster, zieht den Verdunkelungsvorhang ein Stück zur Seite und späht hinaus in den Innenhof, als würde da unten vielleicht jemand stehen und zu ihnen hochschauen.
    »Ned hat mal irgendwas von schwerem Wasser erzählt. Was ist das? Das klingt irgendwie lächerlich. Schweres Wasser und leichte Luft. Irgendein wissenschaftliches Hirngespinst.«
    Er

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