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Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mawer
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und Sykes, Zwillingsgötter in dieser seltsamen Welt des Tötens. Die Fairbairn-Sykes-Position: »Frontal zum Ziel, Beine auseinander, Knie gebeugt. Waffe auf Gesichtshöhe heben, beide Augen öffnen, die Waffe verdeckt das Ziel. Dann zwei Schüsse in rascher Folge. Peng, peng! Wenn der erste Schuss nicht tötet, dann der zweite.«
    Marian stellte fest, dass sie es konnte, das war das Seltsame. Mit der Pistole in der Hand lief sie Haken schlagend über den Schießplatz und traf die Ziele mit unfehlbarer Genauigkeit. »Bravo!«, rief der Ausbilder. »Zeig den Gentlemen, wie’s geht.«
    Emile erklärte, einmal ein hervorragender Schütze gewesen zu sein – er hatte sogar an Wettbewerben teilgenommen –, doch in Afrika war irgendwas Mysteriöses passiert, wonach er mit der Konkurrenz nicht mehr hatte mithalten können. »Aber du bist nicht schlecht«, räumte er widerwillig ein. »Wirklich nicht schlecht.«
    Nach dem Waffentraining erfolgte eine Unterweisung im Umgang mit Sprengstoffen durch einen Mann mit dem fröhlichen Ausdruck eines Kindes, das mit Feuerwerkskörpern spielt. »Plastique«, sagte er und zeigte ihnen einen Klumpen aus öliger Knetmasse. »So fest wie Kaugummi, so explosiv wie TNT .« Sie reichten den Klumpen untereinander weiter. Er roch nach Mandeln. »Wenn ihr das Zeug an der richtigen Stelle detonieren lasst, bringt ihr Brücken zum Einsturz. Der beste Freund des Widerstandskämpfers: plastique .« Warum er das französische Wort benutzte, blieb ein Rätsel. Kam das seltsame Zeug ursprünglich aus Frankreich? So als wollte er die Frage indirekt beantworten, nahm er den Klumpen wieder an sich und knetete daraus eine Form, die die Männer zum Lachen brachte und die beiden Frauen erröten ließ. Und dann warf er das Ding zum Beweis seiner Stabilität ins Feuer, wo es mit einer munteren Flamme loderte und zischte. Dann führte er sie nach draußen zu einem Bunker zwischen den Nebengebäuden und zeigte ihnen, wie man den Sprengstoff richtig anbrachte, wie man den Zünder verkabelte und schließlich, mit einem freudigen Aufschrei, während er die Induktionsspule aufwickelte, wie ein paar Unzen Plastik die Radachse eines Autos in Stücke sprengen konnten.
    »Dann gibt es noch die chemischen Zeitzünder, die Bleistiftzünder.« Er hielt sie hoch, wie ein Kind seine Sammlung Knallfrösche zeigt. »Fünf Minuten, zehn Minuten, zwanzig, dreißig, ihr habt die Wahl. Einmal kräftig am Stift drehen, damit die Kapsel zerbricht, und fertig ist die Laube.«
    Bleistiftzünder mit Zeiteinstellung. Ein Zeitbleistift? Sie musste wieder an Ned denken. Das hörte sich an wie etwas, das er hätte erfinden können, ein Bleistift, an dem sich die Zeit ablesen ließ, ein Füller, der sich an die Vergangenheit erinnern konnte und die Zukunft vorhersah, eine Schreibfeder, die die Gegenwart dem Vergessen anheimstellte.
    Lieber Ned, schrieb sie. Ich hoffe, es geht Dir gut. Wir werden hier ganz schön geschleift, aber merkwürdigerweise macht es mir Spaß. Wenn wir nach dem Lehrgang ein paar Tage freihaben, kann ich Dich vielleicht in London besuchen kommen.
    Aber sie hatte kaum Zeit, an ihn zu denken. Hier waren Leute, die sehr viel seltsamer waren als ihr Wissenschaftsbruder, Männer, die wussten, wie man tötete und zerstörte. Zum Beispiel der Nahkampfausbilder, ein Mann im mittleren Alter mit fuchsrotem Bürstenhaarschnitt und der düsteren Ausstrahlung eines Bestatters. Er erteilte einen Erste-Hilfe-Kurs in umgekehrter Richtung – wie man einem Gegner die Oberarmschlagader mit dem Messer aufschlitzte, wie man ihm mit einem einzigen Fußtritt das Knie auskugelte, wie man ihm das Rückgrat brach, indem man ihn übers Knie fallen ließ, wie man jemandem in kürzester Zeit den größten Schaden zufügte. Man konnte einen Mann mit einem Schlag auf beide Ohren außer Gefecht setzen, ihn mit einer Streichholzschachtel bewusstlos schlagen, mit einem Regenschirm töten.
    »Merkt euch: Ihr wollt nicht in einen Kampf geraten, aber wenn ihr keine andere Wahl habt, dann wollt ihr die Sache so schnell wie möglich erledigen. Und die schnellste Möglichkeit ist die, euren Gegner zu töten. Es tut mir leid, wenn es das Zartgefühl der Ladys verletzt, aber so ist es nun mal.«
    Es verletzte Yvettes Zartgefühl nicht: Sie liebte das lautlose Töten mit der Hingabe einer Ministrantin, die sich für eine neue Religion begeisterte. Sie liebte das Heft eines Messers in der Hand, die böse schimmernde Stahlzunge mit der Aufschrift The F-S

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