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Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mawer
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Es ist irgendwie ein Schock und eine Erleichterung zugleich, ihn gehen zu sehen. In den letzten paar Tagen war er stets um sie, hat sie umschmeichelt, sich über sie lustig gemacht, ihr gezeigt, wie die Dinge sind und wie sie sein könnten, und jetzt ist er bloß noch eine Gestalt im schmalen Heckfenster des Wagens, die nicht nur an Größe, sondern auch an Bedeutung verliert.
    »Er sollte lieber nicht Englisch sprechen«, sagt Gaillard. Er raucht beim Fahren, eine Zigarette in den Mundwinkel geklemmt.
    Sie zuckt die Achseln, versucht, sich nicht länger etwas aus Benoît und seinen kleinen Marotten zu machen. »Wie lang brauchen wir noch bis Lussac?«
    »Ist nicht mehr weit. Keine Sorge«, fügt er hinzu, fast so, als könnte er ihr Unbehagen spüren. »Da sind keine Deutschen. Die Gendarmen …« Er zuckt die Achseln, als wären Gendarmen nicht der Rede wert. Seine Augen sind nur zum Teil auf die Straße gerichtet. Sie huschen immer wieder zu ihr, zu ihrem Gesicht oder ihrem Busen oder ihren Knien. Sie zupft am Saum ihres Rocks, doch irgendwie sitzt sie darauf, und ihre Knie bleiben seinem Blick weiterhin ausgesetzt.
    »Ihre Strümpfe.«
    »Was ist damit?«
    »Die Frauen hier tragen keine. Nur die aus Paris.«
    »Na, da komm ich doch her, oder?« Sie schaut zum Seitenfenster hinaus, kann den Mann nicht leiden, fühlt sich unwohl unter seinem Blick, der sowohl kritisch als auch lüstern ist.
    »Sie müssen über solche Sachen nachdenken. Was Sie machen und nicht machen sollten. Wann Sie Kaffee bestellen sollten und wann besser nicht, so was eben. Auch wenn Sie glauben, das Land zu kennen, es ist nicht mehr das, was es mal war, und das wird es auch nie wieder sein. Manche Dinge sind von Dauer.«
    »Das weiß ich alles.«
    Er lächelt abfällig, als könnte das niemand wissen, der fort gewesen ist, sogar nur für ein paar Wochen. »In Lussac gehen Sie zu einer Adresse, die ich Ihnen gebe. Gabrielle Mercey ist Ihre Kontaktperson. Sie weiß nicht, dass Sie aus London kommen, klar? Sie gehört zu den Helfern, aber sie weiß nicht viel. Ich habe Sie gerade vom Bahnhof abgeholt, vom Zug aus Paris. Das ist besser so.«
    »Die denken, ich bin Französin?« Benoîts alberne Pose als Engländer hat sie angesteckt, und jetzt kommt ihr die Aufgabe, nicht nur Deutsche täuschen zu müssen, sondern auch Franzosen, als unerfüllbar vor.
    »Natürlich.« Wieder der Seitenblick, auf Gesicht, Busen, Knie. »Sind Sie etwa keine?«
    »Doch«, sagt sie und fragt sich, ob er das sarkastisch gemeint hat. »Natürlich.« Bien sûr .
    IV
    Lussac ist ein kleiner, öder Marktflecken mit dem Andenken an eine Burg im Zentrum und der vagen Erinnerung an eine Stadtmauer ringsherum. Die Place de la République bildet ein Dreieck mit einer Kirche an der Spitze und der mairie gegenüber, Kirche und Staat in beklommenem Nebeneinander wie schon seit Jahrhunderten. Eine Trikolore hängt schlaff am Flaggenmast vor der mairie . Zwei Marktstände sind auf dem Platz aufgebaut, wo Frauen mit Kopftüchern über den Preis von Kartoffeln feilschen.
    Alice geht zum ersten Mal über die Bürgersteige Frankreichs, allein, wie ein Kind in einem Albtraum. Die Sonne scheint hell aufs Pflaster, aber die Leute haben etwas Düsteres an sich, sind so verschlossen wie einige von den Häusern. Sie hasten vorbei, die Köpfe gesenkt. Ein oder zwei werfen ihr einen gleichgültigen Blick zu, obwohl sie irgendwie erwartet hätte, sie würden sie erstaunt anstarren, als stünde es ihr auf die Stirn geschrieben, dass sie nicht dazugehört, dass sie eine Darstellerin ist, ein Artefakt, eine Artistin, die sich vom Himmel herabgeschwungen hat, die tollkühne junge Frau am Fliegenden Trapez. Sie hat keinen Halt, kein Sicherheitsnetz unter sich. Sie kann niemanden anrufen, niemanden bitten, ihr zu helfen, sich auf niemanden verlassen. Sie kann nirgendwohin, sie kann lediglich an dieser Reihe von Fassaden entlanggehen zu einer Adresse, die Gaillard ihr gegeben hat: Rue de la Bastille, Nummer 23.
    »Sagen Sie ihr, dass Gaillard Sie schickt«, sagte der Mann, als er sie in der Nähe einer Bushaltestelle absetzte.
    »Gibt es kein Losungswort?«
    Gaillard lachte. »Man merkt, dass Sie frisch aus London kommen.«
    Rue de la Bastille 23 liegt in einer Seitenstraße, die vom Marktplatz abgeht. Als sie klopft, öffnet eine ältere Frau die Tür, bleibt auf der Schwelle stehen und beäugt sie skeptisch. »Ja?«
    »Gaillard schickt mich.« Beim Anblick dieser Frau mit dem eingefallenen Gesicht,

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