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Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mawer
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Scheine werden beim Zählen auf dem Tisch gestapelt, insgesamt fünfhunderttausend Francs. Zweitausendfünfhundert Pfund. Mehr Geld, als sie je im Leben gesehen hat. Einen Teil davon stopft er sich in die Manteltaschen, und den Rest verstaut er in einem Koffer, den er mitgebracht hat. »Etwas davon sollten Sie behalten. Sie müssen Leute bezahlen.«
    »Müssen wir nicht Buch führen oder so?«
    Er lacht höhnisch. »Das soll wohl ein Witz sein. Nie irgendwas aufschreiben, hat man Ihnen das nicht eingetrichtert? Keine Namen, keine Adressen, nichts. So, jetzt schauen wir uns mal Ihre Papiere an. Mal sehen, was London Ihnen mitgegeben hat.«
    Er blättert die Dokumente gekonnt durch, wie ein Pokerspieler, der einschätzt, was er auf der Hand hat, und dabei leicht finster dreinblickt, um seinen Gegner in Sicherheit zu wiegen. Sie fragt besorgt: »Es ist doch alles in Ordnung, oder?«
    »Die Lebensmittelkarten ja, aber der Ausweis taugt nichts. Er sieht gut aus, fast echt, aber da Sie angeblich aus Paris kommen, müsste vermerkt sein, wo Sie die Demarkationslinie überquert haben. Sie sind also illegal hier.« Er lacht, und dann schlägt das Lachen um in einen tiefen, rauen Hustenanfall, der seinen ganzen Körper schüttelt. Fast sagt sie es ihm. Ich muss demnächst nach Paris. Aber sie verkneift es sich.
    »Ich kümmere mich drum«, sagt er. »Wissen Sie, wo man die besten Dokumente kriegt? Auf dem verdammten Amt, das sie ausstellt. Ich kenn jemanden in der commune , der Ihnen das Richtige verschafft. Dafür brauche ich bloß ein paar Fotos von Ihnen. Haben Sie Fotos dabei?«
    Sie hat. London hat welche von ihr machen lassen, nur für alle Fälle.
    »Wir werden Ihnen mehr als nur eine Identität besorgen. Sie können in verschiedenen Teilen des Rings verschiedene Personen sein. Es ist aber gefährlich, mit mehr als einem Satz Papieren unterwegs zu sein. Denken Sie daran. Ein guter Ausweis ist in Ordnung. Zwei gute Ausweise sind eine Fahrkarte zur Gestapo. Bis die Papiere fertig sind, halten Sie sich einfach versteckt.«
    »Ohne irgendwas zu tun?«
    »Unsere Arbeit besteht zum großen Teil aus Nichtstun. Der Rest ist herumrennen wie eine angesengte Katze. Kann ein paar Tage dauern.«
    »Bis dahin könnte ich doch das Original benutzen, oder nicht?«
    »Hören Sie, ich bin am Leben, ja? Ich bin seit achtzehn Monaten hier draußen, und ich bin noch immer nicht aufgeflogen. Das ist ein Rekord. Und wissen Sie, warum?« Er lacht dieses rasselnde Lachen. »Weil ich verdammt vorsichtig bin, darum. Weil ich niemandem traue, den ich nicht kenne, und nur jedem Dritten von denen, die ich kenne. Weil ich keine schriftlichen Nachrichten und keine Briefkästen erlaube. Weil ich mich nicht mit Leuten treffe, die ich nicht kenne. Weil niemand weiß, wo ich wohne oder wohin ich gehe. Weil ich echte Papiere habe und für jeden Ort, an dem ich mich aufhalte, einen echten Grund vorweisen kann. Weil ich verdammt vorsichtig bin, Mademoiselle Alice. Und wer sich mit einem zweitklassigen Ausweis begnügt, ist nicht verdammt vorsichtig. Und wenn Sie erwischt werden, dann sind sie im Handumdrehen auch mir auf der Spur. Verstehen Sie, was ich meine?« Er blickt sie grimmig an, die kleinen Augen zusammengekniffen. Er fordert sie heraus, ihm zu widersprechen, und macht sich bereit, sie anzuschnauzen, wenn sie es wagt.
    »Was ist mit Ihrem Akzent?«
    »Meinem Akzent?«
    Sie zuckt die Achseln. »Na ja, Sie klingen nicht wie ein Franzose, oder? Ich meine, ich höre an Ihrem Akzent, dass Sie kein Franzose sind. Verrät Sie das denn nicht?«
    Er funkelt sie an, kneift die Augen zu noch kleineren Schlitzen zusammen, und einen Moment lang ist unklar, ob er vor Wut explodieren oder einen Scherz aus der Sache machen wird. Dann zieht er an seiner Zigarette und lacht durch den Rauch. »Stimmt, ich bin auch kein Franzose. Ich bin Belgier. Das ist meine Tarnung. Belgier, Flame, bin 1940 aus Gent hergekommen und hab eine Stelle in der Gemeindeverwaltung gefunden. Als Agrarinspektor, und ein bisschen Schwarzmarkthandel nebenbei. So komme ich durch. Also halten Sie sich bloß nicht für so verdammt clever, dass Sie mich mit Ihrem lycée -Französisch und ihren feinen Allüren runterputzen können. Lassen Sie sich das von jemandem sagen, der inzwischen mit einigen Wassern gewaschen ist.«
    Die Standpauke setzt ihr zu. Sie denkt an Buckmaster und den Mann namens Sir Charles, daran, dass sie sie wie jemanden behandelt haben, der wichtig ist, und jetzt behandelt dieser

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