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Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mawer
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Nähe, ein Eulenschrei und das kurze Huschen von irgendeinem Tier im Unterholz, das Flüstern von Kälte und Verfall. Und dann ist da noch ein Geräusch, in der Luft, ein fernes Murmeln, ein Kriegsraunen. Sie erstarrt, bewegt die Beine, spürt die Kälte wie einen Schock.
    »Da.«
    Gaillard ist bloß ein Schatten, der vor der Hecke kauert. »Was?«
    »Ich hör was.«
    Das Geräusch wird lauter und leiser, nicht mehr als ein Brummen, das in der Nacht an- und abschwillt, wie Wellen, die an ein fernes Ufer plätschern.
    »Sie kommen«, sagt sie und rappelt sich hoch. »Los!«
    Gaillard folgt ihr, alarmiert die anderen. Es wird schlagartig hektisch, schemenhafte Gestalten kommen aus den Schatten, rufen einander und werden prompt angewiesen, leise zu sein.
    »In einer Reihe!«, befiehlt Gaillard. »In einer verdammten Reihe, in fünfzig Metern Abstand, wie ich gesagt habe. Herrje, ihr seid ja schlimmer als eine Herde Schafe. Schafe haben wenigstens ein Hirn im Kopf.«
    Das Geräusch ist jetzt näher, der Trommelschlag von Flugzeugmotoren, irgendwo da draußen in nördlicher Richtung, irgendwo in der Dunkelheit, zu klein, um vor den Sternen erkennbar zu sein.
    »Macht die verdammten Lampen an!«
    Die Männer halten Fahrradlampen in der Hand, bloße Nadelspitzen vor der schwarzen Erde. Alice stampft mit den Füßen und haucht sich auf die Finger, fummelt am Schalter ihrer Taschenlampe herum. Sie richtet das Ding in die ungefähre Richtung des Geräusches, hofft, dass es die richtige ist, fischt im Trüben, wirft den Köder aus, morst • – – und wieder • – –, bis ihr die Finger vom ständigen Ein- und Ausschalten der Lampe wehtun.
    • – – • – –
    Irgendwer am Rand der Wiese ruft: »Da ist es!« Aber sie kann das Flugzeug nicht sehen, hört bloß die lauter und leiser werdenden Motoren, während die Maschine kreist, stellt sich vor, wie die Propeller nach der Luft greifen, die gewaltige Bestie hinter sich herziehen.
    • – – • – –
    W für WORDSMITH vielleicht.
    »Da!«
    Und jetzt sieht sie es, ein Umriss vor den Sternen, ein schwarzes Kreuz, das sich neigt und dreht, das näher kommt wie ein riesiger Vogel, überwältigend und überheblich, die Motoren brüllen sie hier unten auf der Erde an, lauter und lauter. Unwillkürlich winkt sie, albernerweise, in der Hoffnung, dass die da oben in der Maschine die Gestalt unter ihnen sehen können. Sie hat Tränen in den Augen und ein Brennen in der Nase, Freudentränen, weil diese unbekannten Männer, sieben an der Zahl, extra quer über Frankreich hinweggeflogen sind, zu dieser seltsamen Verabredung, sie da oben und noch immer irgendwie mit England verbunden, und das Empfangskomitee hier unten, zwei ferne Welten, die einander flüchtig berühren, hier draußen an einem einsamen Hang oberhalb von Dompierre. Das Flugzeug donnert in rund dreihundert Metern Höhe über sie hinweg, dreht und schwenkt Richtung Süden, geht dann vor den Sternen in Schräglage und verdeckt ganz kurz den Mond. Und dann ist es wieder da, steuert direkt auf sie zu, das Mondlicht glänzt auf dem Kabinendach, die Tragflächen korrigieren ihren Halt in der Luft, während es sich auf hundertfünfzig Meter hinabtastet. Sie will es umarmen oder sich von dem Flugzeug umarmen lassen. Sie will, dass seine Kraft ihren Körper durchdringt. Sie will es inbrünstiger, als sie je irgendwas gewollt hat, von der Anerkennung ihres Vaters bis zur Liebe ihrer Mutter, ja, bis zu dem Verlangen, das sie einst nach Clément verspürt hat. Es ist ein Erlebnis, wie es da über ihnen hinweggleitet, laut wie ein Zug, ein gewaltiger, donnernder, herrlicher Trotzruf, stärker als jede kindliche Sehnsucht. Und dann sind die Fallschirme da, jähe himmlische Kugeln fallen aus der Maschine wie Eier aus dem Bauch eines großen Fisches, Eier, die mit der nächtlichen Strömung treiben, um auf der Erde niederzugehen und den Nachwuchs schlüpfen zu lassen.
    »Da drüben!«
    »Vorsicht!«
    Einer der Behälter landet ein paar Schritte entfernt, ein Zylinder von fast zwei Metern Länge. Ein zweiter schlägt dumpf fünfzig Meter weiter auf, die Fallschirmkappe senkt sich darüber wie der Rock einer Ballerina beim Plié. Männer rennen zu den Behältern, schleppen sie an den Rand der Wiese, wo der Ochsenkarren wartet. Überall ist jetzt Bewegung im kalten Mondlicht: Schatten huschen hin und her, das Flugzeug gewinnt wieder an Höhe, steigt mit dröhnenden Motoren hoch, um für einen zweiten Abwurf zu wenden.
    »Haltet die

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