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Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mawer
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Beine greift, sie durch den Stoff des Schlüpfers betastet. Alice keucht empört auf. Die Hand fährt fort, ein kleiner, stöbernder Nager, tastend und suchend, an ihrem Bauch hoch, dann wieder nach unten und in die Gesäßspalte, berührt sie sogar durch den Stoff am Anus. Dann gleiten die Nager rasch an den Oberschenkeln hinab, und die Tortur ist schlagartig beendet.
    Alice dreht sich um. Die Elsässerin ist gleichgültig, zündet sich eine Zigarette an, als wäre nichts gewesen, als hätten ihre Finger nicht soeben die intimsten Stellen von Alice’ Körper erkundet, als wäre nichts weiter geschehen als der normale Ablauf von Befragung und Leibesvisitation, wie er in der umnachteten Stadt inzwischen an der Tagesordnung ist. »Sie können gehen«, sagt sie. »Los, gehen Sie schon.«
    Einen Moment lang hantiert Alice an ihrem Koffer herum, ordnet Dinge, klappt den Deckel zu und lässt die Schlösser mit Mühe einrasten. Die Gedanken überschlagen sich in ihrem Kopf, eine konfuse Mischung aus Furcht und Schock und Erleichterung. Und Dankbarkeit. Sie kann gehen. Sie ist entwürdigt worden, aber sie kann gehen. Ihre Hände zittern, aber sie darf gehen, die Elsässerin hat kein Interesse mehr an ihr, sondern lehnt an der offenen Tür des Wagens und sagt irgendwas auf Deutsch zu der Gestalt hinterm Lenkrad.
    Lass dir keine Erleichterung anmerken. Erleichterung ist das Allerschlimmste. Jeder kann nervös sein, sogar ängstlich, aber Erleichterung bedeutet, dass irgendwas passiert ist, das Aufmerksamkeit verdient.
    Bemüht, sich ihre Erleichterung nicht anmerken zu lassen, nimmt Alice ihren Koffer und geht weiter, überquert den Platz mit ruhigen Schritten, aber zielstrebig, ohne sich noch einmal umzublicken. Nichts ist passiert oder wird passieren. Keine Eile, egal was du tust, bloß keine Eile.
    IV
    Sie erreicht den Schutz der Häuser und ist schließlich außer Sicht. Es sind nur wenige Leute unterwegs, und keiner beachtet eine einsame Frau, die einen Koffer durch die Straßen von Paris trägt. Jeder zweite Fußgänger, den sie gesehen hat, schleppt einen Koffer mit sich herum. Koffer sind das Motiv der Stadt, die Erinnerung an gehortete, nichtige Kostbarkeiten und Vergänglichkeit.
    Ein Schild an der Wand verkündet: Rue de l’Estrapade.
    Die estrapade ist ein Folterinstrument, das weiß sie. Etwas, das einen förmlich zerreißt, wie die Streckbank. Über den Dächern sieht sie die Kuppel des Panthéon hervorlugen, wo Helden begraben liegen, die kleinen Götter eines säkularen Staates: Freiheit, Brüderlichkeit, Gleichheit. Doch jetzt herrscht der Gott des Alten Testaments über die Stadt, mit Eifersucht und mörderischer Rache. Am Ende der Straße ist ein dreieckiger Platz, eine Insel inmitten kleiner Straßen, mit Bäumen und zwei Bänken. Eine alte Frau sitzt da und spricht mit Spatzen, die vor ihr herumhüpfen und nach Brotkrumen suchen, die in der hungernden Stadt nicht mehr zu finden sind. Place de l’Estrapade. Sie bleibt stehen und überlegt, was sie machen soll.
    Niemals zögern, niemals einen ratlosen Eindruck machen. Wenn du unentschlossen bist, erregst du Interesse. Die Leute fragen sich, wonach du suchst, woher du kommst, was du vorhast. Aber sie ist ratlos: Sie hat kein Gefühl mehr für Perspektive und Proportion.
    Eine junge Frau mit einem Kinderwagen kommt vorbei. Sie fängt Alice’ Blick auf, und für einen flüchtigen Moment ist da so etwas wie Wiedererkennen, ein schwaches, mitfühlendes Lächeln, das keiner Worte bedarf. Einen schrecklichen Augenblick lang will Alice sie ansprechen, um Hilfe bitten, um Trost, um schlichten menschlichen Kontakt. Aber die Frau ist weitergegangen, und sie ist allein, steht vor der Tür von Hausnummer 2 und der Klingelleiste mit den Namen und Messingknöpfen. Auf einem steht: Pelletier, Appartement G. Sie ist noch unschlüssig, ob sie klingeln soll oder nicht, da öffnet sich die Tür, und ein Mann kommt heraus. Er grüßt mit einem Kopfnicken und hält die Tür für sie auf, und sie schlüpft hindurch, in einen Torbogen und das lichte Grün eines Innenhofes.
    Zu ihrer Erleichterung ist im guichet keine Concierge, die unangenehme Fragen danach stellen könnte, wer sie ist und was sie will. Eine Treppe führt im Halbdunkel nach oben, und ein Aufzugschacht ragt auf, eins von diesen offenen Gerüsten, in denen sich eine filigrane Stahlplattform präzise wie ein Uhrwerk hebt und senkt, eine Maschine, die sich mit der Vorhersagbarkeit klassischer Mechanik

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