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Die Frau, für die ich den Computer erfand

Die Frau, für die ich den Computer erfand

Titel: Die Frau, für die ich den Computer erfand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Christian Delius
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sie schon lange gleichberechtigt und emanzipiert! Meine Computer tragen das große A von Ada! Nichts dergleichen, ich habe geschwiegen   … Ein Ada-Projekt, vielleicht sogar ein Buch, sie hätte es verdient. Und Sie, Sie müssen doch noch was zu tun haben, wenn Sie mit mir durch sind, wenn Sie alles abgetippt haben und nur noch auf meinen Tod warten, bis Sie diesen Stapel Kassetten endlich unter die Menschheit streuen können. Sie müssen doch was zu tun haben in der Wartezeit, in der langen Wartezeit, in der hoffentlich langen Wartezeit. Also lassen Sie sich bitte von Ada erzählen, warum Babbage plötzlich nicht mehr mit ihr an der Analytischen Maschine arbeiten wollte und ihr ausgewichen ist. Warum sie sich dann auf die Elektrizität geworfen hat und Herrn Faraday helfen wollte. Was sie zu den Pferdewetten getrieben hat, und warum sieein mathematisch perfektes Wettsystem entwickeln wollte. Ob Babbage ihr diesen Quatsch aufgehalst hat, wie krank und verschuldet sie wirklich war, das Morphium und so weiter. Ich käme leicht auf hundert Fragen für ein Interview mit ihr   … Man müsste auch prüfen, ob das mit der ersten Programmiererin wirklich stimmt oder doch nur eine tolle Legende ist. Ada, das kann ich Ihnen versichern, ist nicht eitel und würde gewiss ganz trocken, britisch trocken ihre Wahrheit auspacken. Und dann ihre Tragödie, die Tragödie des weiblichen Genies   … Ein Thema, was sie heute in jede Talkshow lotsen würde, das weibliche Genie   … Und der Vater   … Noch schlimmer die Mutter   … Das sind Stoffe, Gefühle, Tragödien! Das wär doch was für Sie! Viel spannender als mein langweiliges Leben   … Nein, ich hab sie nie ausgefragt in diese Richtung. Wir waren scharf auf die Schaltalgebra und die Zukunft von Ja und Nein und Und und Oder. Wir wollten alles andere als in ihrer Vergangenheit herumkramen. Über ihren Vater wollte sie sowieso nicht reden, über die Mutter noch weniger. Ich hatte es nur auf ihren Intellekt und ihre Weiblichkeit abgesehen, vielleicht war das falsch. Aber ich hatte einfach keine Zeit für ihre Seelenpein. Ich bin schließlich nicht dafür gemacht, Tragödien aus der Welt zu schaffen. Ein Mensch kann nicht alles sein, nicht noch Psychologe nebenbei. Erfinder und Liebhaber, das geht mit Ach und Krach   …

(Güterzüge neben Apfelbäumen)
     
     
     
    Ja, die Heimat ruft,
Ich bin der Bub vom Haunetal.
Lange nicht mehr gehört, das Liedchen   … Der Anfang mit fünf Leuten, das hatten wir schon, schnell waren es hundert, dreihundert   … Das war nicht so schwer. Die Dörfer waren ja vollgestopft mit Menschen, und unter den Flüchtlingen gab es viele tüchtige Leute, sogar Ingenieure. Wer ein Handwerk gelernt hatte, wo es auf die Feinarbeit ankommt, Friseure, Schneider, Schuster, die wurden bei mir eben Feinmechaniker   … Vom alten Philipp wusste ich, dass die Einheimischen fast alle ziemlich braun gewesen waren. Und direkt nebenan Rhina, wo besonders viele Flüchtlinge hockten, in den Häusern der Juden. Das war ja das einzige Dorf im Reich, wo bis Dreiunddreißig mehr Juden als Christen gewohnt hatten, auch das hat mir nur der Philipp verraten, sonst keiner. Das haben Sie damals, drei Kilometer weiter, sicher auch nicht gewusst, oder? Sie waren zu jung, aber Kinder spüren doch was   … Da lag Spannung in der Luft, idyllisch war nichts in den Fachwerkdörfern rechts und links der Haune   … Unsere Rechner, die waren den Bauern natürlich etwas unheimlich. Wenn wir neue Räume wollten oder Bauland, dann haben sie lieber für die dritte oder vierte Tankstelle gestimmt, das waren die Goldgruben. Trotzdem, der Aufstieg der Firma, die Aufstiege, der Boom, die erste Phase der Rechner-Konjunktur, dieA 5, schon sechsmal schneller als die A 4, unsere ganzen Erfolgsgeschichten werd ich Ihnen jetzt nicht auf Ihr Band runterbeten   … Wie versprochen, ich greife weiter in die Gefühlskiste, und wenn ich an Neukirchen denke, dann denk ich nicht nur an die schöne Schufterei. Dann denk ich auch an die Pausen, an die Augenblicke der   … Besinnung ist ein blöder Ausdruck, das klingt so fromm, suchen Sie mir ein besseres Wort dafür. Ich denke an die Minuten, wenn die Züge durchs Dorf rollten, da kamen bestimmt zehn Züge in der Stunde vorbei, vielleicht mehr. Die D-Züge , die hinter unserm Haus, hinter der Werkstatt und hinter der Bahnhofstraße über die Schienen geschossen sind, da hat der Boden gewackelt von all der Kraft, Sie wissen schon, Masse

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