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Die Frau im gepunkteten Kleid

Die Frau im gepunkteten Kleid

Titel: Die Frau im gepunkteten Kleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beryl Bainbridge
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gearbeitet.
    »Links abbiegen«, befahl er. Eine einsame Straßenlaterne beleuchtete die Fassade einer steinernen Kirche, in deren Portal auf einem Sockel eine Jesusstatue mit ausgebreiteten Armen stand. Dahinter wurde unter schwarzen Wolken unerwarteterweise der Flaum eines blühenden Obstgartens sichtbar.
    Drei Leute warteten auf dem Weg zur Kirche: eine stämmige Frau in einem langen, schwarzen Rock, ein älterer Mann mit einem breitkrempigen Hut und ein junges Mädchen, das auf Stöckelschuhen umherstakste. Als der Priester aus dem Lieferwagen ausstieg, fuchtelte die dicke Frau mit den Armen und wackelte auf ihn zu.
    Rose sagte: »Ich war noch nie auf einer amerikanischen Beerdigung. Meinst du, ich kann da reingehen,
nur für fünf Minuten? Das wäre etwas, was ich Polly und Bernard erzählen könnte.« Sie erwartete nicht, dass Harold einverstanden war, aber er nickte. Er müsse noch Proviant kaufen. Sie solle nicht zu lang bleiben, denn es würde bald zu schütten anfangen, und sie müssten noch einen Campingplatz suchen. Es würde ihn nicht wundern, wenn das Wetter sich deutlich verschlechterte.
    Als sie unter das Portal trat, hatte die Messe schon begonnen. Sie hörte die Gemeinde wiederholt murmeln, Christus möge sich ihrer erbarmen. Es dauerte ein Weilchen, bis sie sich das Haar glatt gestrichen und den Regenmantel zugeknöpft hatte, und als sie die Tür aufstieß, bat Monsignore gerade den Herrn, die Seele des Verstorbenen von den Fesseln der Sünde zu befreien. Herr, gib ihm die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihm .
    Es saßen nicht mehr als zwanzig Leute in den Kirchenbänken. Rose hätte sich um ihre Erscheinung nicht zu sorgen brauchen, denn außer dem alten Mann mit dem großen Hut war niemand angemessen gekleidet. Die meisten Männer hatten Overalls an, und zwei Frauen trugen Pelzmäntel, die schon bessere Tage gesehen hatten.
    Es war ein bescheidener Raum mit düsteren Kreuzwegstationen an beiden Wänden, tropfenden Kerzen auf dem Altar und einer Statue der Jungfrau Maria unter der Kanzel. Die Luft war stickig, und durch die bunten Glasfenster drang nur matter Lichtschein.

    Sie ging so weit nach vorn, wie sie es wagte, und kniete sich auf ein abgewetztes Seidenkissen. Der Priester begann aus der Totensequenz zu lesen. Iudex ergo cum sedebit, quidquid latet apparebit: nil inultum remanebit … iuste iudex ultionis, donum fac remissionis. Obwohl sie in der Schule Latein gelernt hatte und recht gut gewesen war, verstand sie nur zwei Zeilen: Alles Verborgene wird erblickt, nichts bleibt ungestraft.
    Die Frau ganz vorn am Altar mit den widerspenstigen grauen Strähnen auf dem gebeugten Nacken war vermutlich die verwaiste Mutter, obwohl ihre Schultern nicht zitterten und man kein unterdrücktes Weinen hörte. Vielleicht flossen die Tränen nicht so leicht, wenn es keinen Sarg gab, der die Gefühle weckte.
    Komisch, dachte Rose, wie schnell sie einst den katholischen Glauben angenommen und wie leicht sie sich wieder davon gelöst hatte. Mit sechzehn war sie übergetreten, nachdem die Mutter das Baby zur Adoption freigegeben hatte. Sie war nach Schottland davongelaufen und hatte in einem Pub gearbeitet, und an Ostern hatte Jeffrey Crouch, der Wirt, sie zu einer nächtlichen Messe mitgenommen. Irgendwann waren alle Kerzen gelöscht worden, eine nach der anderen. Jedes Mal, wenn eine Flamme erstarb, musste sie sich an die Brust schlagen und rufen: Durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine übergroße Schuld, bis sie in
weihrauchgeschwängerte Dunkelheit getaucht war. Amüsant war das, verführerisch. In England hätte sie ihren Glauben nicht wechseln dürfen, bevor sie einundzwanzig war; ohne elterliche Einwilligung war das illegal. In Schottland lief es anders. Sie wurde zur Unterweisung in ein Kloster geschickt. Dort hätte sie gern darüber diskutiert, worin sich Gottes Liebe wirklich zeige, wenn die Nonne vom Dienst nicht seit ihrem dreizehnten Lebensjahr eingesperrt gewesen wäre. Es hätte sich nicht gehört, gegenüber einem Menschen, der der Welt so fernstand, Zweifel zu äußern.
    Es waren die Beatles, überlegte sie, die Wasserstoffbombe und die Drogen – auch wenn sie selbst nie welche genommen hatte –, die ihren Glauben zum Versiegen gebracht hatten.
    Sie hatte Dr. Wheeler nie davon erzählt, weder von ihrer Konversion noch von dem Kind. Sie hatte ihn vier Jahre nicht gesehen, und als sie sich wieder begegneten, bei jenem letzten Treffen am Bahnhof Charing Cross, war ihr

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