Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau im gepunkteten Kleid

Die Frau im gepunkteten Kleid

Titel: Die Frau im gepunkteten Kleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beryl Bainbridge
Vom Netzwerk:
Glaube längst erloschen, und Dr. Wheeler war auf dem Weg nach Amerika.
    Sie kniete noch immer, als die Trauernden durch den Mittelgang hinausschlurften. Die Mutter mit dem grauen Haar trug ein ausgebleichtes rosa Kleid; sie züngelte sich über die Lippen, als schmecke sie den Tod. Rose tat, als bete sie, und hielt die gefalteten Hände dicht vors Gesicht, für den Fall, dass alle sie ansahen.

    Sie blieb dort hingekauert, bis sie ein lautes Hupen hörte. Typisch Harold, so respektlos. Als sie einstieg, entschuldigte er sich für den Radau. »Ich wollte nicht, dass uns dieser Pfarrer noch bittet, ihn zu seinem Auto zurückzufahren«, erklärte er.
    »Der ist vollauf damit beschäftigt, die Mutter des Jungen zu trösten«, sagte sie. »Und bestimmt gibt es noch Häppchen.«
    »So wie die aussieht«, erwiderte er und zeigte auf die dicke Frau in dem schwarzen Rock, die sich gegen Jesu genagelte Füße lehnte, »nimmt sie sowieso den ganzen Tag Häppchen zu sich.«
    Sie hielt es nicht für nötig, ihm zu sagen, dass er die falsche Frau meinte.
    Es dauerte eine Weile, bis er den Motor in Gang brachte, und in diesem Augenblick rannte Monsignore Secker auf sie zu. Widerstrebend wartete Harold. Er hätte sich nicht zu sorgen brauchen; der Priester wollte sich nur bedanken. Der Ortspfarrer habe ihm ein Bett für die Nacht angeboten, und ein Abschleppwagen sei schon unterwegs, um sein Auto zu holen.
    Rose sagte: »Bitte richten Sie der Mama mein Beileid aus.«
    Monsignore sagte, er wisse ihr Mitgefühl zu schätzen, aber die Mutter sei gar nicht da. Sie sei heute Morgen ins Krankenhaus eingeliefert worden. Vermutlich ein Schlaganfall.
    »Allmächtiger Gott«, murmelte Harold und kurbelte das Fenster hoch.

    Es begann zu regnen, als sie wieder in den Highway einbogen, von dem sie vorher abgefahren waren. Der Himmel hing metallisch grau über ihnen, und das Wasser schlug in Strömen gegen die insektenverschmierte Windschutzscheibe. Harold sagte, im Radio hätten sie vor einem Tornado gewarnt. »Wie aufregend«, piepste Rose, und er sagte, sie spinne wohl. Wenn sie nicht bald einen Campingplatz fänden, müssten sie in einem Motel übernachten; er mache sich Sorgen wegen dem Zeug auf dem Dach.
    Unterhalb einer Passhöhe hielt er an, um zu tanken. In der Nähe standen ein paar Hütten neben einem Café, das überragt wurde von einem Schild mit den Worten: »Schecks nur nach Überprüfung von Fingerabdrücken.«
    »Das ist ein Witz, oder?«, fragte sie.
    »Nicht nur«, sagte er und befahl ihr, ihm zu folgen.
    Das Café war menschenleer bis auf einen jungen Mann an der Kasse. Er trug sein Haar im Stil von Elvis Presley. Rose hatte den Eindruck, dass er hier am falschen Platz war, vor allem, weil seine Augen so hoffnungsvoll blitzten. Als er die Schlüssel vom Wandbrett nahm und hinausstolzierte, um ihnen ein Zimmer zu zeigen, registrierte sie verblüfft, dass seine Schuhe zweifarbig waren. Harold fragte, ob er seinen Campingbus irgendwo unterstellen könne, am besten verschließbar.
    »Es gibt einen Schuppen mit einem Blechdach«, sagte Elvis. »Aber Tür hat er keine.«

    Die Hütte war primitiv, nur ein Zimmer mit einem Bett, eine Hakenleiste an der Tür, ein einbeiniger Hocker und ein Nachttopf in der Ecke. Es gab kein Waschbecken, und die Tagesdecke hatte einen großen Fleck in der Nähe der Kopfkissen. Laut Harold roch es komisch, eine Mischung aus Feuchtigkeit und Frittieröl. Er verkündete plötzlich, er werde lieber im Campingbus bleiben, um sein Gepäck im Auge zu behalten. Sie könne das Zimmer haben. Wegen des Regens und der mangelnden Sicherheit müsse er bei geschlossener Tür schlafen, und das würde ihr sicher nicht behagen, oder?
    »Nein«, pflichtete sie ihm bei, »da krieg ich Klaustrophobie.« Das war eine gute Entschuldigung; sie bewahrte sie vor seinem allabendlichen Genörgel, sie solle sich das Gesicht waschen und die Zähne putzen. »Aber ich möchte dir keine Kosten verursachen«, fügte sie hinzu.
    »Es sind nur zwei Dollar. Und so wie das Haus aussieht, ist das ein Dollar zu viel.«
    Sie ließ das Licht brennen und legte sich angezogen ins Bett. Kurz darauf hörte sie, dass es tropfte. Der Regen kam durch die Zimmerdecke, Tropfen für Tropfen, und plumpste in den Nachttopf. Sie erinnerte sich, dass Tante Phyllis auch so ein Gefäß benutzt hatte, aus Porzellan, mit roten Rosen bemalt. Das Klo war im Hinterhof. Vater hatte sich mit grimmigem Gesicht gebrüstet, er habe all seine Bildung aus den alten

Weitere Kostenlose Bücher