Die Frau im Rueckspiegel
nie eingetreten wäre? Würden Sie das tun?« Christiane blickte Rebecca fragend an.
»Ja, das würde ich«, mußte die gestehen.
»Natürlich. Sonst hätten Sie mir ja nicht diese Frage gestellt.«
»Wenn Sie die Antwort auf Ihre Fragen schon kennen, warum fragen Sie?«
»Ich weiß nicht. Um die Unterschiede zwischen uns besser zu begreifen? Manchmal muß man eben etwas hören, obwohl man es weiß.«
Diesmal war es an Rebecca, spöttisch den Mund zu verziehen. »Ich dachte, das gilt nur in Beziehungen. Wo sich die Partner wechselseitig vorwerfen, nicht genug Aufmerksamkeit vom anderen zu bekommen.«
»Na ja, wir sind zwar kein Paar, aber eine Art Beziehung haben wir schon«, gluckste Christiane.
»Ach ja? Klären Sie mich auf.«
»Nun, Dank dieses Gesprächs, welches wir hier gerade miteinander führen, sind wir uns doch sehr viel näher gekommen. Ihr skeptisch abwehrender Blick sagt mir übrigens gerade, daß Sie selbiges bereits bereuen. Keine Angst, ich werde jetzt nicht den Spieß umkehren und Sie ausfragen, auch wenn es mir zustände. Ich weiß, das wäre Ihnen unangenehm. Also, keine Panik.« Christiane lachte frei heraus, angesichts der Tatsache, daß Rebecca sich in offensichtlicher Verwirrung ihr Ohr massierte. »Sehen Sie, so gut kenne ich Sie schon. Wenn das keine Beziehung ist.«
»Beängstigend«, meinte Rebecca beklommen. »Ist es Höflichkeit oder die Erwartung allzu karger Antworten, daß Sie verzichten?«
»Weder noch. Ich weiß bereits alles über Sie, was ich wissen muß.«
»Ach so? Und das wäre?«
»Sie sind ein Arbeitstier. Waren es schon immer und werden es immer sein. Sie sind niemals spontan, immer beherrscht, haben zu niemandem Vertrauen und sind deshalb sehr verschlossen. Dadurch wirken Sie ziemlich arrogant. Was Sie wohl auch sind, aber doch nicht so sehr, daß es Sie komplett unsympathisch macht. Ihre Vorliebe für Frauen ist mir genauso bekannt wie Ihre Schwäche für Hanna, die mit erwähnter Vorliebe nichts zu tun haben dürfte, sondern einfach nur beweist, daß Sie durchaus in der Lage sind, über Ihren Schatten zu springen und Sympathie für einen Menschen zuzulassen. In diese Richtung sollten Sie weiterarbeiten. Nur Mut.«
Rebecca blieb bei Christianes Ausführungen regelrecht der Mund offenstehen. In einem Anfall von Übermut verschloß Christiane ihn durch einen Kuß. Noch bevor Rebecca irgendwie reagieren konnte, plapperte Christiane weiter. »Okay, jetzt sehen Sie nicht sehr beherrscht aus. Aber ich erzähle es nicht weiter. Ich weiß, als Ihre Fahrerin bin ich zur Diskretion verpflichtet.« Erst jetzt brach Christiane abrupt ab. Erschrocken hielt sie sich die Hand vor den Mund, starrte Rebecca entsetzt an. Nun standen sie beide wie erstarrt.
Rebecca war nicht in der Lage, auszumachen, was sie mehr durcheinanderbrachte: Christianes Kuß oder deren treffsichere Schlußfolgerungen. Unschlüssig, ob sie verärgert sein sollte oder nicht, rettete Rebecca sich in Ironie. »Ich will hoffen, das eben liegt an der dünnen Luft hier oben«, brummte sie.
Christiane nickte schnell. »Entschuldigung«, flüsterte sie atemlos.
»Es ist wohl an der Zeit, uns von unserer Beziehung zu verabschieden. Sie geht mir eindeutig zu weit«, grummelte Rebecca. Um ihre Unsicherheit zu verbergen, beugte sie sich zum Picknickkorb. »Käse oder Schinken?« fragte sie, als sie wieder auftauchte, und hielt Christiane die Baguettes hin.
Christiane, immer noch betreten, griff sich wahllos eines der beiden. »Danke«, murmelte sie, wickelten die durchsichtige Folie ab und biß in das krosse Brot, froh, so erst mal nichts sagen zu müssen. Rebecca schien es ähnlich zu gehen. Auch sie kaute schweigend, sah angespannt auf die Landschaft hinab.
»Hallo?« rief der Pilot in ihrem Rücken.
In dem Moment, da sie sich umdrehten, surrte leise ein Auslöser. Der Pilot lachte, zog das Foto aus der Polaroid und wartete kurz. Mit den Worten »Ein Erinnerungsfoto« gab er Rebecca das kleine Bild. Rebecca nahm es verdutzt entgegen, legte es in den Picknickkorb. Als sie sich wieder aufgerichtet hatte, surrte es erneut.
»Und eines für die andere Dame.« Damit überreichte der Pilot ein weiteres Foto an Christiane. Die steckte es schnell in die Tasche ihrer Jacke.
»Wir steigen jetzt ab«, kündigte der Pilot an. »Unser Wagen bringt Sie dann zurück zum Starplatz. Ich hoffe, der Flug hat Ihnen gefallen.«
Rebecca lächelte. »Es war mal etwas ganz anderes.«
»Gut.« Der Mann lächelte zurück. »Dann
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