Die Frau im Rueckspiegel
Ball besser traf, der aber in einem Sandbunker landete.
»Ich bleibe besser beim Basketball«, kommentierte Christiane den erneuten Fehlschlag trocken.
»Sie machen das gar nicht so schlecht«, tröstete Rebecca sie. Die kurze Verlegenheit von eben war vergessen.
Christiane warf ihr einen skeptischen Blick zu.
»Nein, wirklich«, versicherte Rebecca. »Sie . . .« Ein Kichern stieg ihre Kehle hinauf. »Sie geben nur leider das typische Beispiel dafür, daß Mühe allein nicht ausreicht.«
»Ha, ha.«
»Entschuldigung. Kommen Sie.« Rebecca ging zum Car. »Wir fahren zurück. Das war eine Schnapsidee. Niemand lernt Golf an einem Nachmittag.«
»Zurück?« Christiane war enttäuscht. »Aber es macht mir Spaß.«
»Ehrlich?« Rebecca fiel es schwer, das zu glauben. »Sie sagen das nicht nur so?«
»Ich sage, was ich meine, das sollten Sie doch wissen.« Damit stieg Christiane ins Car.
»Also dann«, Rebecca setzte sich neben Christiane hinter das Steuer und drückte das Pedal durch, »trödeln wir besser nicht. Sonst schaffen wir die Bahnen nie. Bei Ihrem Spiel.« Sie lachte.
Christiane hielt den Wagen vor Rebeccas Haus.
»Danke für einen wirklich schönen Tag.« Rebecca saß auf der Rückbank und fühlte sich seltsam heiter, aber auch irgendwie schwer. Fast zu schwer, um jetzt aus dem Wagen zu steigen. »Die letzten Jahre habe ich meinen Geburtstag immer gehaßt«, gab sie zu. »Heute war es . . . in jedem Fall anders.«
Christiane drehte sich zu ihr um. »Das ist doch gut.«
»Ja.« Rebecca lächelte. »Ich muß mich bei Ihnen bedanken.«
»Nicht bei mir. Hanna hat . . .«
»Hanna hat daran nur einen geringen Anteil«, unterbrach Rebecca Christiane. »Sie . . .«, Rebecca brach ab. Sie sind diejenige, die den Tag auf seltsame Weise zu etwas Besonderen gemacht haben , wollte sie sagen. Aber das hätte seltsam geklungen. Und es war auch völlig absurd. »Danke«, sagte Rebecca deshalb nur. Dann stieg sie mit einem unerklärlichen Gefühl der Leere aus, sah dem abfahrenden Mercedes nach. Du hättest sie zum Essen einladen können, ging es Rebecca durch den Kopf, während sich das Tor öffnete und wieder schloß. Klar, super Idee, Rebecca. Und weiter? Einen gemütlichen Abend verbringen, Freundinnen werden? Was ist los mit dir?
Sie wandte sich um, ging zur Haustür und schloß auf. Drinnen legte sie ihre Sachen ab und machte sich in der Küche schnell ein paar Brote. Mit dem Teller ging sie hoch zu Hanna.
Die ließ Rebecca keine Zeit, sich weiter über sich zu wundern. Hanna verlangte einen ausführlichen Bericht des Tages.
Während Rebecca erzählte, erlebte sie alles noch einmal. Natürlich ließ sie eine bestimmte Stelle aus. Daß Christiane sie geküßt hatte, brauchte Hanna nicht wissen. Eigentlich war es ja gar kein richtiger Kuß gewesen, nur eine flüchtige Berührung. Es hatte keinerlei Zärtlichkeit darin gelegen. Also gab es überhaupt keinen Grund, es zu erwähnen. Allerdings auch keinen, es zu verschweigen. Und erst recht keinen, immer wieder daran zu denken!
Unter dem Vorwand, müde zu sein, wünschte Rebecca Hanna eine gute Nacht. Doch statt zu schlafen, ging Rebecca in ihr Atelier. Etwas zog sie dorthin. Rebecca wollte es sich erst nicht eingestehen, aber als sie an den Schreibtisch trat und auf den aufgeschlagenen Zeichenblock sah, wußte sie, daß es dieses Gesicht war. Christianes Gesicht.
Rebeccas Finger fuhren versonnen über die Bleistiftlinien, welche die Wangenkonturen zeichneten. Als es ihr bewußt wurde, zog sie schnell die Hand zurück. Wie vorhin im Wagen plagte sie ein zwiespältiges Gefühl.
Schon als sie das Bild zeichnete, fragte Rebecca sich, warum sie es tat, und hatte es mit dem rebellischen Ausdruck in Christianes Gesicht erklärt. Der unterschied sich von all den anderen um Rebecca herum. Besonders von denen ihrer Mitarbeiter, die in der Regel sofort ängstlich zurücksteckten, wenn sie nur unzufrieden die Stirn runzelte oder mal die Stimme erhob. Christiane hatte das von Anfang an nicht beeindruckt. Das war irritierend, teilweise störend. Aber auch amüsant.
Rebecca wußte, die Erwartungen ihrer Mitarbeiter, früher auch die des Vaters, zwängten sie immer wieder aufs neue in die Rolle der perfekt funktionierenden Geschäftsfrau – eine Rolle, die ihr über die Jahre in Fleisch und Blut übergegangen war. Denn wenn sie Schwäche zeigte, verunsicherte das ihre Angestellten.
Christiane hingegen zwängte sie in nichts! Im Gegenteil. Sie befreite
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