Die Frau im Rueckspiegel
empfehlen Sie uns bitte weiter.«
»Zurück ins Büro?« fragte Christiane, wieder hinter dem Steuer. Die Fahrt zurück zum Ausgangspunkt hatten sie und Rebecca kein Wort miteinander gesprochen. Christiane traute sich nicht einmal, Rebecca anzuschauen, so peinlich war ihr ihr Fauxpas.
Es überraschte sie, als Rebecca erwiderte: »Nein. Fahren Sie mich ein bißchen in der Gegend herum.«
»Nur so?« vergewisserte Christiane sich irritiert.
»Ja.«
»Und danach ins Büro?«
»Wir werden sehen.«
Christiane fuhr los. Im Rückspiegel sah sie, wie Rebecca den Kopf schüttelte. Die Christiane mittlerweile gut bekannten Falten auf Rebeccas Stirn stellten sich ein und verhießen nichts Gutes.
Du hältst besser die Klappe und machst einfach, was sie sagt, Christiane. Sicher ist Rebecca stinksauer auf dich. Zum Glück ist sie selbst jetzt die Beherrschung in Person. O Mann, Christiane, wie konntest du nur!
Was Christiane nicht wissen konnte: Rebeccas Unmutsbezeugung galt nicht ihr, der Fahrerin, sondern sich selbst. Wie hatte sie sich nur darauf einlassen können, mit Christiane in diesen Ballon zu steigen? Warum hatte sie dieses dumme Gespräch nicht einfach abgebrochen?
Neugier, Rebecca, gib es zu. Es hatte sie interessiert, mehr über Christiane zu erfahren. Aus diesem Grund hatte sie den Moment verpaßt, dem Gespräch ein Ende zu setzen, und mußte feststellen, daß Christiane sie durchschaute, als wäre sie aus Glas. Sie war total perplex und hätte nicht gedacht, daß ihre Verwirrung noch steigerungsfähig war. Auch was das betraf, sorgte Christiane für eine Überraschung.
Da küßt mich diese Frau doch einfach so. Und ich? Wasche ich ihr den Kopf? Mache ich sie zur Schnecke? Nein. Ich lasse ihr das einfach durchgehen.
Dieser Gedanke war es, der Rebecca veranlaßte, mit dem Kopf zu schütteln. Die Falten auf ihrer Stirn kamen hinzu, als sie versuchte, sich damit zu rechtfertigen, daß es ja im Grunde gar kein richtiger Kuß war. Du hättest es trotzdem nicht einfach so abtun dürfen. Sie hat jetzt keinerlei Respekt mehr vor dir!
An dieser Stelle grinste Rebecca unweigerlich. Als wenn Christiane Seidel jemals Respekt vor ihr gehabt hätte. Sie war viel zu unkonventionell, um sich von Titel oder Positionen beeindrucken zu lassen. Endlich mal jemand, der ihr unvoreingenommen gegenübertrat, sie wie einen ganz normalen Menschen behandelte.
Rebecca stutzte. Wie war das? Gefiel ihr am Ende Christianes saloppe, manchmal fast schon schnodderige Art? Diese Überraschungen, die neuerdings fester Bestandteil ihres Tages waren? Fand sie das alles gar nicht so störend, wie sie Hanna hatte glauben machen wollen?
Hm, so war es wohl, gestand Rebecca sich ein. Anders ließ sich kaum erklären, daß Christiane, die kaum ein Fettnäpfchen ausließ, sie immer noch fuhr.
»Ich glaube, Hannas Geschenk hat bewirkt, daß ich heute keine Lust mehr auf enge Räume habe«, sagte Rebecca entspannt. »Fahren Sie mich bitte zum Golfplatz.«
Christiane nickte. Eine gute Idee, dachte sie erleichtert. Rebecca schloß des öfteren Geschäfte auf dem Golfplatz ab, und die Erinnerung an erfolgreich abgeschlossene Geschäfte schien Christiane nach der verpatzten Ballonfahrt eine nützliche Sache.
Der Parkplatz des Golfplatzes lag jetzt, am frühen Nachmittag, ziemlich ausgestorben da.
»Hm, unter den parkenden Wagen ist keiner, den ich kenne«, stellte Rebecca fest. Also kein Golfpartner. Sie würde allein über die Bahnen ziehen müssen. Das hatte sie nicht bedacht. »Sie spielen nicht zufällig Golf?«
Daß sie das wirklich gerade gefragt hatte und es sich nicht einbildete, bewiesen ihr Christianes große, überraschte Augen, die ihr im Rückspiegel begegneten. »Nein, ich spiele Basketball. Das wissen Sie doch.«
»Ja.« Rebecca zögerte. Das kannst du unmöglich ernst meinen, du kannst auch allein spielen, sagte sie sich. Doch irgend etwas in ihr bestand offenbar auf diese verrückte Idee. »Aber die Spiele sind eigentlich ganz ähnlich«, fuhr sie nämlich zu ihrer eigenen Verwunderung fort. »Einen Ball in eine Öffnung befördern, welche fast dessen Größe hat.« Rebecca entriegelte die Wagentür, wartete aber noch mit dem Aussteigen. »Das ist natürlich keine Anordnung. Nur wenn Sie nichts Besseres vorhaben.«
Christiane drehte sich zu Rebecca um. Was sollte das Besseres sein? Im Auto sitzen und warten? Da ging sie doch lieber mit. Sie hatte nur eigentlich erwartet, daß Rebecca, nach dem, was da in der Luft passiert war,
Weitere Kostenlose Bücher