Die Frau im Rueckspiegel
festgelegt ist: Sollte ich, seine Tochter, in vergleichbare Verhaltensmuster fallen wie meine Mutter, sprich Depressionen bekommen, so solle mir die Leitung der Firma, die er mir trotz unseres nicht gerade innigen Verhältnisses übertragen hat, entzogen und an den Sohn seines langjährigen Geschäftsfreundes und Partners übertragen werden. Ich habe diesen Passus im Testament nicht ernst genommen . . . scheinbar war das ein Fehler.«
Rebecca schwieg jetzt. Erneut schaute sie Christiane an.
»Daß man diese Familiengeschichte nicht auf Partys erzählt, können Sie sicher verstehen.«
Christiane nickte. »Absolut«, sagte sie. Schade nur, dachte sie dabei, daß Rebecca nach ihrem Vater kam, zumindest was die Affären anging.
»Und?« fragte Rebecca.
»Hm. Die Theorie der Verschwörung macht damit Sinn«, gab Christiane zu.
»Nicht wahr? Ich wurde niedergeschlagen, war ohnmächtig. Der Rest wurde arrangiert!«
»Aber man hat Ihnen den Magen ausgepumpt!«
»Den Inhalt jedoch nicht getestet, sondern abgesaugt und entsorgt. Fertig. Das Szenario im Hotelzimmer war eindeutig. Die Kopfwunde wurde erst später entdeckt. Da hatte sich die Selbstmordtheorie bereits in den Köpfen der Ärzte festgesetzt.«
Christiane mußte zugeben, daß diese Version der Dinge nicht von der Hand zu weisen war. »Wer ist denn dieser ominöse Sohn?« fragte sie.
Rebecca schaute schweigend geradeaus. Christiane glaubte schon, sie hätte die Frage nicht verstanden und setzte gerade zur Wiederholung an.
»Marius Schwandte«, sagte Rebecca da. »Und er hat gute Chancen, bald neuer Inhaber der Reederei zu sein«, fügte sie nach kurzer Pause hinzu. »Denn er hat sicher nicht versäumt, dafür zu sorgen, daß meine Geschichte heute in allen Münchener Zeitungen steht. Ich gehe jede Wette ein, daß Marius mir am Montag mit einem Exemplar vor der Nase herumwedelt. Was er natürlich rein zufällig von jemandem bekommen hat, der in München zu tun hatte,« endete Rebecca verdrießlich.
Sie saßen schweigend nebeneinander.
»Nun werden Sie sich wohl doch bald einen neuen Job suchen müssen«, meinte Rebecca nach einer Weile. »Marius wird mich zwar nicht rausschmeißen können, nicht sofort jedenfalls, das wäre zu offensichtlich, aber in einer Position mit eigener Fahrerin werde ich mich nicht mehr lange befinden. Er wird mir einen Posten geben, wo ich mich schonen kann.«
Christiane hörte betroffen, was Rebecca da sagte. »Heißt das, Sie geben einfach so auf?«
Rebecca zuckte mit den Schultern. »Ich sehe keine Möglichkeit, dagegen anzugehen. Das Testament meines Vaters ist eindeutig. Und mein Selbstmordversuch steht in den Krankenhausakten.«
»Aber wenn es doch eine Fehldiagnose ist!« begehrte Christiane auf.
Rebecca lächelte schwach. »Sie glauben mir?«
Christiane sprang auf. »Natürlich tue ich das. Ich kenne Sie. Aber nicht als verzagtes, in sich zusammengesunkenes Elend, sondern als Kämpferin! Fechten Sie die Diagnose an, verdammt! Verklagen Sie das Krankenhaus auf den Ihnen entstehenden wirtschaftlichen Schaden! Und die Zeitungen gleich mit! Dann werden wir ja sehen, was passiert.«
Rebecca blinzelte Christiane überrascht von unten her an. »Christiane! Sind Sie immer so? Ich bin baff.«
»Ja, prima. Und was kommt, wenn Sie mit dem Staunen fertig sind?!«
Rebecca stand auf. Ihr Blick heftete sich auf Christiane – ein Blick, bei dem Christiane sich plötzlich ganz schwummrig im Bauch fühlte. Jetzt hob Rebecca ihre Hand, strich damit durch Christianes Haar. »Dann bestehe ich auf den zweiten Kuß«, flüsterte sie.
Christiane spürte Rebeccas Hand in ihrem Nacken ankommen. Behutsam zog Rebecca sie zu sich heran. Ihre Lippen trafen sich. Christiane verharrte still, als Rebeccas Mund sanft ihren berührte, darüber hinwegstrich. Sie glaubte schon, das sei es gewesen. Aber Rebeccas Mund kam zurück. Und diesmal war die Berührung nicht mehr flüchtig, sondern anhaltend. Ein Schauer durchfuhr Christiane. Das war Rebeccas Zungenspitze, die an ihren Lippen kitzelte! Sie zärtlich umspielte. Rebeccas Hand glitt von Christianes Nacken hinab deren Rücken entlang zur Taille. Ihre andere Hand legte sich in Christianes Rücken. Die Umarmung wurde fester, der Kuß intensiver. »Rebecca«, keuchte Christiane.
Rebecca hielt sofort inne. »Entschuldigung«, murmelte sie. »Das . . . das sollte nur ein Danke sein. Ich war wohl etwas zu impulsiv.«
Das war nicht zu übersehen, aber wieso das? fragte Christiane sich
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