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Die Frau im Rueckspiegel

Die Frau im Rueckspiegel

Titel: Die Frau im Rueckspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Arden
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Nehmen wir an, ich bin gestürzt, ohnmächtig, wache auf, lege mich ins Bett, habe einen riesigen Brummschädel. Und dann habe ich die Muße, mich umzubringen? Mit Tabletten, die ganz sicher nicht in meinem Reisegepäck waren? Denn da finden sich nur Aspirin-Brausetabletten. Da können Sie nachsehen! Wo hatte ich die ganzen Tabletten überhaupt her?«
    »Es gibt Apotheken.«
    »Ich plante also bis zu meinem Abflug noch keinen Selbstmordversuch!?«
    Christiane stutzte zum ersten Mal wirklich. Sie sah Rebecca unsicher an. »Scheinbar nicht.«
    »Aha. Es muß also in der Zeit von meinem Abflug bis zu dem Zeitpunkt, wo man mich fand, etwas kolossal Niederschmetterndes passiert sein. Ich spekuliere nicht an der Börse, aber vielleicht sind die Aktien meiner Firma in den Keller gestürzt? Bin ich pleite?«
    »Äh, ich weiß nicht.«
    »Ist auch egal, denn das wäre zwar sehr niederschmetternd, aber hätte mich eine solche Nachricht erreicht, wäre ich postwendend zurückgeflogen, um zu retten, was zu retten ist. Ich würde mich nicht umbringen!«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Die Lage ist doch die: Man fand mich bewußtlos. Aufgrund herumliegender Tabletten pumpte man mir den Magen aus, um mir anschließend Beruhigungsmittel zu verabreichen. Und jetzt will man mich am liebsten in die Klapse überweisen.« Rebecca machte eine Pause, bevor sie auf den Punkt kam. »Ich würde sagen, da versucht jemand, mich abzuservieren!«
    Christiane hörte mit zunehmender Skepsis, was Rebecca da sagte. Litt die jetzt unter Verfolgungswahn?
    »Christiane! Ich bin nicht verrückt! Und ich bin auch nicht selbstmordgefährdet. Das ist ganz simpel eine Verschwörung«, erklärte Rebecca.
    »Aber . . .« Christiane versuchte, ruhig zu bleiben. »Es macht keinen Sinn, jemand einen Selbstmordversuch anzuhängen.« Das mußte Rebecca doch einsehen.
    »Das macht durchaus Sinn. In meinem Fall. Aber das können Sie nicht wissen.«
    Christiane blieb stehen. »Erklären Sie es mir?« fragte sie und setzte sich auf die Parkbank, an der sie gerade angekommen waren.
    Rebecca setzte sich neben sie, zögerte. »Es ist . . . ziemlich privat. Eine Familienangelegenheit. Keine sehr schöne Geschichte. Ich habe noch nie darüber gesprochen, nicht einmal mit Hanna.«
    »Verstehe.«
    »Aber bisher war das auch nicht nötig, und . . . Sie hatten eine Menge Aufregung wegen mir und vermutlich dieser Geschichte. Also sollten Sie wohl wissen, wobei es darum geht.«
    Rebecca drehte den Kopf kurz zu Christiane, schaute sie an und schließlich wieder geradeaus. »Meine Mutter lernte meinen Vater im Urlaub in Italien kennen, da war sie zwanzig, er war siebenundzwanzig. Wie sie mir einmal erzählte, war es Liebe auf den ersten Blick. Sie heirateten bereits nach zwei Monaten. Leider erkannte meine Mutter zu spät, daß es seitens meines Vaters eine sehr egoistische Liebe war. Der Ernst in seinen Worten, der sie anfangs faszinierte, weil sich mein Vater darin von den jungen Männern unterschied, die ihr sonst den Hof machten, ängstigte meine Mutter sehr bald. Und sie kam nicht mit der Rolle klar, in die mein Vater sie mehr und mehr hinein- und von sich wegschob. Organisatorin von Anlässen und perfekte Gastgeberin. Präsentable Ehefrau, die zu Hause auf ihn wartete. Und schließlich auch abgelegte Geliebte, denn während er vorgab, in der Firma zu arbeiten, pflegte mein Vater häufig seine Affären. Woran meine Mutter seiner Erklärung nach selbst schuld war, denn nach der Geburt ihrer Tochter, leider nur Tochter!, konnte sie keine Kinder, keinen Sohn, mehr bekommen.«
    Rebecca unterbrach sich. Der erste Teil der Geschichte war schwer genug zu erzählen, für den zweiten Teil brauchte sie eine kleine Pause. Sie seufzte. Leise fuhr sie fort:
    »Es wundert mich im nachhinein, daß keine der zahlreichen Geliebten meines Vaters ihm den gewünschten Nachfolger schenkte. Er brachte die Frauen sogar bald mit ins Haus. Es sei ja groß genug, meinte er. Meine Mutter ertrug den immer beißender werdenden Ton und die Drohungen meines Vaters, die er abgab, wenn sie versuchte sich zu wehren oder mit Scheidung drohte, bis ich einundzwanzig war. Mein Vater sah den Freitod meiner Mutter als Anklage gegen sich an, der er sich widersetzte. Er tat so, als sei sie schon immer labil und depressiv gewesen. Eine Art genetischer Fehler. Als mein Vater vor einem halben Jahr an Herzversagen starb, hinterließ er mir außer der Firma eine testamentarische Verfügung, in der folgendes

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