Die Frau im Rueckspiegel
Donnerstag abend im Hotel passiert ist. Verdammt«, fluchte sie leise. »Na ja. Kann man nichts machen.« Es war das erste Mal, daß sie an diesem Morgen die unerfreulichen Ereignisse der letzten Tage ansprach. Sofort machte sich Anspannung bei ihr bemerkbar. »Na komm, laß uns in die Firma fahren.«
»Meine Uniform ist noch . . .«
»Du brauchst mich nur absetzen, dann kannst du erst mal nach Hause fahren. Ich lasse Anita meine Termine heute absagen. Bis mein Kopf wieder alles beisammen hat, scheint mir das ratsam. Hol mich einfach zum Feierabend wieder ab.«
»Kann ich nichts für dich tun?«
Rebecca lächelte. »Du kannst mir beim Abendessen Gesellschaft leisten.«
»Ich habe Training«, sagte Christiane bedauernd.
»Training?«
»Basketball.«
»Ach ja.« Rebecca nickte langsam. »Kannst du das nicht ausfallen lassen?«
»Ist schlecht. Wir haben doch am Wochenende Pokalkampf. Und uns fehlt immer noch ein neuer Sponsor.«
Rebecca blinzelte. »Müßte ich das wissen?«
»Ich habe es dir erzählt, aber eher nebenbei. Wahrscheinlich würdest du dich auch nicht daran erinnern, wenn du den Schlag auf den Kopf nicht bekommen hättest. So wichtig ist das ja auch nicht.«
»Doch. Jetzt muß ich allein essen.« Rebeccas Verdrossenheit stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.
»Ich kann ja morgen bleiben«, bot Christiane an.
»Morgen? Ja, sicher. Schön.« Rebecca wirkte verunsichert. Sie räumte ihr Geschirr zusammen, ging zur Geschirrspülmaschine und stellte es hinein.
Christiane nahm den letzten Schluck Kaffee und tat es ihr gleich. Als sie sich wieder aufrichtete, sah sie sich Rebecca direkt gegenüber.
»Was machst du eigentlich nach dem Training?« fragte diese betont lässig. Zu lässig, als daß Christiane den Hintergrund der Frage nicht ahnte. Sie zuckte mit den Schultern. »Nach Hause fahren, schlafen gehen«, lautete die saloppe Auskunft.
»Hm«, machte Rebecca nur. »Und . . . wenn du hierher fährst . . . und schlafen gehst?«
»Werde ich denn dann schlafen?« fragte Christiane schnippisch.
Rebecca, derart durchschaut, blickte zerknirscht drein. »Aber natürlich!« behauptete sie dennoch. Ein Schmunzeln folgte. »Nur etwas später.«
Christiane feixte. »Fällt es dir immer so schwer, eine Bitte zu formulieren?«
Rebecca runzelte die Augenbrauen. »Es ist . . . ungewohnt. Besonders, weil . . .« Sie hielt inne.
Christiane wartete. »Weil?« wiederholte sie schließlich, da Rebecca den Satz nicht beendete.
»Weil ich nicht weiß, wie ich mit einer eventuellen Absage umgehen soll. Es ist mir ja klar, daß du nicht von einem Augenblick zum anderen nur noch für mich da sein wirst. Umgedreht kann ich das ja auch nicht. Es wäre nur schön, wenn . . .« Rebecca schüttelte den Kopf über sich selbst. »Alles totaler Unsinn«, murmelte sie. Dann sagte sie mit rigoroser Stimme: »Komm, laß uns endlich losfahren.«
Rebecca schwieg während der Fahrt. Nachdenklich blickte sie vor sich hin, uneins mit sich selbst. Warum fühlte sie sich so unsicher? Saß die Angst über einen erneuten Verrat, ein Spiel, wie Liane es mit ihr getrieben hatte, zu tief in ihr? Zu dumm, daß diese Erinnerung nicht zu den vergessenen gehörte. Dann wäre sie frei von einer großen Last. Eingedenk dieser scheute sie sich nämlich, Christiane offen zu sagen, wie sehr sie sich nach mehr von ihr sehnte. Statt dessen ging sie auf Christianes lockeren Ton ein, den Christiane wahrscheinlich auch nur vorschob, weil sie genauso unsicher war. Eine Nacht war schließlich kein Versprechen! Das galt für beide Seiten. Und: Auch wenn sie darüber Witze machten – sie, Rebecca, war nun einmal Christianes Boss. Das machte die Sache nicht einfacher.
War das Ganze vielleicht doch ein riesengroßer Fehler gewesen? Ganz bestimmt nicht, wenn Rebecca an letzte Nacht dachte. Was sie da gefühlt hatte, und mit welcher Intensität, das war stark genug, sie aus ihrem altem Lebensrhythmus zu reißen. Andererseits war sie keine zwanzig mehr, wo man sich einfach auf neues einließ.
Ich muß darüber nachdenken. Ich kann mich nicht sofort entscheiden. Und das muß ich ja auch nicht. Nicht mal Christiane erwartet das.
Diese stoppte jetzt den Wagen vor dem Gebäude der Reederei und schaltete den Motor ab.
Christiane hatte Rebecca die Fahrt über nicht in ihren Gedanken gestört. Nicht zuletzt, weil sie sich mit ihren eigenen im Disput befand. Aber auch, weil Rebeccas Gesichtsausdruck im Rückspiegel darauf schließen
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