Die Frau im Rueckspiegel
erwiderte Schwandte.
»Dann nehme ich den hier mal wieder mit.« Rebecca klopfte auf den Ordner unter ihrem Arm und ließ Marius Schwandte allein. Der brauchte sicher ein paar Minuten, um seinen Schock zu überwinden. Rebecca lächelte triumphierend. Das dumme Gesicht ihres Geschäftspartners entschädigte sie für einigen erlittenen Ärger. Und immerhin kam bei dieser Geschichte auch etwas Positives heraus. Sie wußte jetzt mit Bestimmtheit, daß Marius weniger ihr Geschäftspartner als ihr Widersacher war. Freunde waren sie ja noch nie gewesen, aber Rebecca hatte bis vor diesem Wochenende nicht geahnt, daß Marius die Firma an sich reißen wollte. Die gelegentlichen Spannungen zwischen ihnen hielt sie für ganz normale Streitereien unter Geschäftspartnern. Nie hätte sie einen Gedanken an solch einen Hintergrund verschwendet! Marius’ Angriff war wirklich geschickt inszeniert. Und die Gefahr lange noch nicht vorbei. Doch bald würden die Fronten geklärt sein.
Und ich werde nicht diejenige sein, die unterliegt. Ich denke gar nicht daran!
In dem Moment, da Rebecca die Wagentür hinter sich zuwarf, überfielen Christiane nagende Zweifel. Alles ging viel zu schnell. »Verdammt!« murmelte sie.
Vor diesem Zwischenfall im Hotel – da war Christiane sich sicher – wäre Rebecca nie auf die Idee gekommen, diese letzte Nacht zuzulassen. Ja gut, da war das Polaroid in ihrem Koffer. Trotzdem. Nie und nimmer hätte Rebecca irgendwelchen Gefühlen für ihre Fahrerin nachgegeben. Das stand fest! Sofern überhaupt derartige Gefühle vorhanden waren. Das Polaroid in Rebeccas Koffer hatte überhaupt nichts zu sagen. Vielleicht hatte Hanna es zu Hause aus dem Papierkorb gefischt und es Rebecca wieder untergejubelt. Ja, das war viel wahrscheinlicher.
Das alles gestern war nur geschehen, weil Rebecca unter dem Eindruck der Erlebnisse eines furchtbar verkorksten Wochenendes stand. Sie befand sich in einer Lage, in der sie Halt suchte und krampfhaft bemüht war, wieder Boden unter die Füße zu bekommen. In einer solchen Situation mißinterpretierte der Mensch die Dinge oft. Das war auch Rebecca passiert. Es konnte nicht anders sein. Rebecca war sich dessen ganz bestimmt nicht bewußt. Noch nicht! Aber es konnte nicht ausbleiben, daß sie irgendwann wieder klar sah. Würde Rebecca ihr dann vorwerfen, die Situation ausgenutzt zu haben? Ganz sicher würde sie bereuen, was geschehen war. Auch wenn Rebecca im Moment glaubte, ihre früheres Ich durch ein neues ersetzen zu wollen. Später, wieder mit der vollen Erinnerung und ganz sie selbst, sah Rebecca das sicher anders.
Ich mache mir doch nur was vor, wenn ich glaube, Rebecca habe sich verändert. Ich wünsche mir, es wäre so. Weil ich egoistisch bin, und zu schwach, der Versuchung zu widerstehen. Shit!
Christiane seufzte. Und nun? Sie hatte Rebecca versprochen, heute abend zu ihr zu kommen. Wenn sie das tat, war klar, wie der Abend endete. Nicht, daß sie es nicht wollte, aber sie würde sich immer mehr in Rebecca verlieben, und später wäre der Schmerz um so größer.
Christiane spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. Vor ihrem inneren Auge spielte sich bereits das Szenario des unvermeidlichen Endes ab.
»O Gott!« flüsterte sie verzweifelt, ihr Kopf sank aufs Lenkrad. »Ich bin jetzt schon ein Wrack. Ich fühle mich hundeelend.«
Rebecca wollte eben in die Mittagspause gehen, als das Telefon klingelte. »Wir haben was«, hörte sie Trautmann sagen.
»So schnell?!«
»Dank Ihnen. Es war zwar nicht mit uns abgesprochen, aber der Erfolg gibt Ihnen recht.«
Rebecca kam nicht ganz mit. Wovon sprach Trautmann?
»Gleich nachdem Sie aus Schwandtes Büro raus sind, machte er einen Anruf«, fuhr der fort. »Raten Sie mal, wen er angerufen hat.«
»Den Typen, der mich umgehauen hat?«
»Nein. Besser!«
Was sollte besser sein als das? Rebecca wartete, daß Trautmann mit der Information herausrückte. Der aber meinte statt dessen: »Es ist vielleicht nicht so gut, wenn wir in Ihr Büro kommen. Können Sie zu uns kommen? Dann spielen wir Ihnen das Telefonat vor.«
»Mit wem hat Schwandte denn nun telefoniert?« fragte Rebecca ungeduldig.
»Ach so, ja. Mit Doktor Hafner.«
»Hafner?«
»Ja, das hätten Sie nicht gedacht, was?«
»Allerdings nicht. Ich mache mich sofort auf den Weg zu Ihnen.«
Da sie Christiane nach Hause geschickt hatte, fuhr Rebecca mit dem Taxi. Das brachte sie innerhalb weniger Minuten ans Ziel. So saß Rebecca kurz darauf mit den beiden
Weitere Kostenlose Bücher