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Die Frau im Tal

Die Frau im Tal

Titel: Die Frau im Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ketil Bjørnstad
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meinem Kopf entfernt hast.«
    »Habe ich das?« Sie fängt an zu lachen. »Entschuldigung. Wie schrecklich.«
    »Ja. Sie waren winzig klein. Wie Gummibärchen. Du hast sie mit kochendheißem Wasser in den Ausguß gespült.«
    »Warum mußte das Wasser heiß sein?«
    »Frag den Traum«, sage ich. »Und danach …«
    »Du darfst mir keine solchen Träume erzählen«, sagt sie.

    Sie begleitet mich doch hinauf in die Wohnung. Wir stehen eng beieinander, unsere Mäntel berühren sich.
    »So kann das nicht weitergehen«, sagt sie.
    »Dann ist es besser, ich schlafe im Hotel«, sage ich.
    »Nein. Da würde Eirik erst recht mißtrauisch werden. Er weiß, daß eine Menge Leute in dieser Wohnung aus und ein gehen. Außerdem möchte ich dich in der Nähe haben.«
    Wir setzen uns. Sie sinkt zusammen, schüttelt den Kopf und sieht resigniert aus.
    »Was würde Marianne dazu sagen«, sagt sie. »Ganz zu schweigen von Anja.«
    »Wir wissen noch so wenig voneinander«, sage ich. »Haben uns noch so vieles zu erzählen.«
    »Ja, damit wollen wir beginnen«, sagt sie erleichtert. »Mit den Gesprächen. Mit der Musik. Du hast doch nicht vergessen, daß wir zusammen spielen wollten?«
    »Wie könnte ich das?«
    »Ich versuche zu verstehen, warum ich soviel an dich denke«, sagt sie nervös. »Hat das mit gemeinsamen Erfahrungen zu tun? Daß wir beide mit Anja und Marianne geliebte Menschen verloren haben? Oder ist es deine Stärke? Du bist so jung. Strahlst eine solche Energie aus. Beidir habe ich das Gefühl, wahrgenommen zu werden. Ich spüre, wer ich bin. Du gibst mir eine Perspektive. Einen Standpunkt. Ein Bewußtsein von dem, was um mich ist. Als würde ich langsam anfangen, mich selbst zu verstehen und die Situation, in der ich bin. Und dazu brauche ich nicht Ärztin zu sein. Außerdem weißt du, woher ich komme. Wir haben ein gemeinsames Geheimnis.«
    »Haben wir das?«
    Sie nickt. »Wir wissen beide, wer Marianne war.«
    »Ich weiß gar nichts«, sage ich. »Nach Anjas Tod verschwand meine alte, vertraute Welt. Es gab nur noch das Skoog-Haus. Alles, was dort geschehen war. Alles, was sich dort noch ereignen würde.«
    »Hast du nie andere Freundinnen gehabt?«
    »Nein. Nicht so. Ich bin zu schüchtern für einen Flirt. Wirke ich etwa, als hätte ich sehr viel Selbstbewußtsein? Ich kann nicht einmal tanzen. Ja, es gab zwei andere. Aber das war eine halbe Sache. Ein hilfloses Suchen. Anja kam dazwischen. Marianne kam dazwischen.«
    Sie sieht mich ernst an. Versucht zu verstehen, was ich sage.
    »Was ist denn an uns Besonderes?« sagt sie schließlich. »Anja, Marianne, ich, wir sind ganz gewöhnliche Frauen. Davon gibt es Millionen.«
    »Nein. Es gibt nur euch. In meinem Kopf seid ihr einzigartig. Das ist das Problem.«
    »Du bist süß«, sagt sie rasch und drückt meine Hand.

    Dann entzieht sie sich energisch meinem Griff, meinen Worten, die ich ihr ins Ohr flüstere. Sie schützt sich vor den Gefühlen, mit denen ich sie auf der Couch überfiel, ohne an Eirik zu denken. Sie weiß, daß ich merke, wie sie nachgibt. Wie sie schwach wird. Vielleicht sollte ich es wieein Raubtier machen, die Beute verschlingen und danach treuherzig aussehen wie ein Hund.
    »Du mußt wissen, daß Eirik und ich eine sehr enge Bindung haben«, sagt sie bestimmt und schaut gedankenvoll aus dem Fenster.
    »Das habe ich begriffen«, sage ich.
    »Ohne Eirik wäre ich nicht hier«, sagt sie. »Wäre nicht die, die ich bin. Eirik hat mir etwas Wichtiges beigebracht über das Leben. Anwesend zu sein. Und sich nicht in Träumen zu verlieren.«
    »Wir werden nichts übereilen«, sage ich.
    »Ich bin zwölf Jahre älter als du«, sagt sie.
    »Ja. Du bist fünf Jahre jünger als Marianne«, sage ich.
    »Warst du denn glücklich mit Marianne?«
    Ich nicke. »Ohne Marianne wäre ich nicht hier.«
    »Keine Wortspiele. Ich hasse Wortspiele«, sagt sie zornig.
    »Ich meinte es ernst.«
    »Dann meinen wir es beide ernst«, sagt sie. »Und deshalb müssen wir uns zusammennehmen. Ich habe alles darauf gesetzt, hier im Norden zu wohnen und ein sinnvolles Leben mit Eirik zu führen.«
    »Lebst du dieses Leben jetzt?«
    »Ja.«

    Nachdem sie gegangen ist, lege ich mich aufs Bett, spüre, daß noch alles schwankt nach den vielen Stunden auf See. Ich denke an all das, was eben passiert ist, an den Ernst der Sache und daß uns eine Wahl bevorsteht. Ich weiß, daß ich diese Wahl provoziere, daß ich es vom ersten Augenblick an so wollte und im Grunde eingefädelt habe. Es

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