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Die Frau im Tal

Die Frau im Tal

Titel: Die Frau im Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ketil Bjørnstad
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ich.
    »Warum hast du es dann gemacht? Hat dich diehübsche Distriktsärztin völlig um den Finger gewickelt? Vielleicht auch um den Schwanz?«
    »Rebecca!«
    »Ich habe gesehen, wie ihr miteinander redet! Ich weiß, was da läuft. Aber noch schlimmer ist, wie schlecht du spielst. Du, das große, überragende Talent. Der Aufenthalt hier oben ist nicht gut für dich. Du mußt schnellstens wieder nach Oslo. Ohne dich ist Oslo hoffnungslos.«
    »Sagst du. Wir sehen uns ja nie.«
    »Nein«, sagt sie fast weinend. »Aber mir ist es wichtig, zu wissen, daß du in der Nähe bist, daß wir auf den Brunkollen gehen könnten. Die Möglichkeit, Aksel!«
    »Dies hier ist meine Möglichkeit, wichtige Dinge für mich zu klären und gleichzeitig Rachmaninow einzustudieren.«
    »Wenn du so weitermachst, ist es nur eine Frage der Zeit, und du versuchst erneut, dich umzubringen. Das jedenfalls hätte ich gemacht.« Sie schlägt sich auf den Mund. »Nein, so habe ich das nicht gemeint!«
    Ich fange zu lachen an. »Es ist jedesmal amüsant, wenn du wütend bist«, sage ich.
    Sie ist kurz davor, die Beherrschung zu verlieren und mit Fäusten auf mich einzuschlagen, aber in dem Moment kommt Christian. Sie schnellt zurück und ist im Nu verschwunden.
Peinliches Nachspiel
    Es ist Zeit für Kaffee und Kognak. Hochprozentiges im Überfluß, der VSOP vom Vinmonopol. Etwas Besseres gibt es in ganz Norwegen nicht. Gunnar Høegh stellt eine große Kiste Zigarren auf den Tisch. Den Damen werdenMentholzigaretten angeboten. Die Herren bekommen Havannas. So gehört es sich. Bald ist der Festsaal vom Rauch vernebelt, und die Männer lehnen sich zurück, lockern die Gürtel. Das darf man, wenn man Zigarre raucht. Männer, die Zigarren rauchen, haben keine Hemmungen. Sie sind sich selbst genug. Sie halten sich für unbesiegbar. Sie glauben, in dieser Welt machen zu können, was sie wollen. Sogar Fabian Frost grunzt voller Behagen, lehnt sich zurück und prostet seiner Desiré zu. Rebecca steht in einer Ecke und redet zornig auf Christian ein, der ebenfalls Zigarre raucht, aber andere Probleme hat. Das ist ein schlechtes Zeichen. Ich wende den Blick zu Gunnar Høegh. Er bewahrt Haltung, eine aufrechte, schlanke Gestalt, das vierschrötige Gesicht mit dem etwas blassen, kränklichen Zug, wodurch es feiner erscheint. Er ist in ein Gespräch mit dem Gouverneur von Spitzbergen vertieft. Sigrun steht neben ihm. Sie weiß stets, wo ich mich gerade befinde. Sie schickt mir rasche Blicke, als wolle sie mir signalisieren, daß sie weiß, daß sie gesehen wird, daß sie wie eine gute Freundin neben Gunnar Høegh steht, weil er, der Witwer, jemanden braucht zur Repräsentation. Ich verstehe das, verstehe, daß sie beliebt ist, daß das so sein muß. Sie winkt mich zu der prominenten Gesellschaft heran. Gunnar Høegh ist ein freundlicher Gastgeber, schlägt dem Gouverneur vor, mich nach Spitzbergen einzuladen. Der Gouverneur findet das interessant, besonders, als er erfährt, daß ich mich im hohen Norden aufhalte, um Rachmaninow einzustudieren.
    »Mit den Russen haben wir ständig zu tun«, sagt er. »Hätte Präsident Nixon es geschafft, den verdammten Krieg zu beenden, den er von seinen Vorgängern geerbt hat und an dem er nicht interessiert war, würden wir hier oben mehr beachtet, und unser Militär wäre präsenter, und das kulturelle Leben würde blühen.«
    Gunnar Høegh nickt, als habe der Gouverneur etwas Kluges gesagt. »Das kulturelle Leben, ja«, sagt er. »Das versuchen wir zu fördern, so gut wir können. Wir bereuen nicht, unseren Flügel angeschafft zu haben, nach allem, was wir heute gehört haben.«
    »Aber wir brauchen ein besseres Verhältnis zwischen Russen und Norwegern. Könnte man sich beispielsweise ein Konzert in Barentsburg vorstellen, in dem dieses junge Talent neben Grieg auch russische Komponisten spielt?«
    »Eine ausgezeichnete Idee!« sagt Gunnar Høegh. Sogar Sigrun nickt.
    »Natürlich«, sage ich. »Ich kann überall spielen.«
    Das ist mein Ernst. Es ist wahr. Ich bin jetzt zum Gelegenheitsmusiker geworden. Ich könnte den Rest meines Lebens auf diese Weise durch die Gegend fahren und für ein Essen und Trinkgeld spielen. Das wäre ganz leicht. Es gibt immer diese sparsamen und eitlen Unternehmer, die Unterhaltung brauchen. Es gibt immer ein Hotel, das einen Barpianisten beschäftigt. Ich könnte mich ständig in diesem anspruchslosen Schwebezustand bewegen, könnte Beethovens letzte Klaviersonaten vergessen, für die ohnehin

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