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Die Frau im Tal

Die Frau im Tal

Titel: Die Frau im Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ketil Bjørnstad
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Høegh. »Aber es strengt immer an, Gastgeber zu sein. Danke, daß du mir Sigrun überlassen hast. Sie macht sich hervorragend als First Lady.«
    »Sie ist eine First Lady«, lächelt Eirik.
    »Wer war die zornige, schöne junge Frau, die zu dir kam?« fragt Sigrun interessiert.
    »Ach ja, die mit diesem Idioten von Mann?« sagt Gunnar Høegh.
    »Das war Rebecca Frost«, sage ich. »Eine alte Freundin.«
    »Eine alte Geliebte, würde ich meinen«, lacht Sigrun.»Keine Frau würde dich so an den Haaren ziehen, wenn du nicht etwas mit ihr gehabt hättest.«
    »Ich habe nichts mit ihr gehabt«, sage ich, krebsrot im Gesicht.
    »Schaut nur, er wird rot!« spottet Eirik freundlich.
    Warum will ich nicht zugeben, daß ich mit Rebecca intim war? Es sticht, wenn ich an all die heimlichen Vertraulichkeiten denke, die zu nichts führen durften, weil nichts stimmte, weil sie Christian Langballe hatte, weil ich mehr als genug mit den Frauen aus dem Skoog-Haus beschäftigt war.
    »Dieser Ehemann ist nicht in Ordnung«, sagt Sigrun. »Du mußt sie vor ihm warnen. Ich habe genügend von diesen lebensgefährlichen Energiebündeln gesehen. Völlig gefangen in ihren Komplexen, ohne es zu merken. Eines Tages knallt es.«
    »Es hat bereits geknallt«, sage ich. »Trotzdem geht alles weiter wie immer.«
    »Dann ist es deine Pflicht, Aksel, einzugreifen, bevor es zu spät ist! Ihr wirkt ja wie geschaffen füreinander!«
    Ich will nicht, daß sie das sagt. Sie dreht die Musik lauter.

    Ich begreife nicht, daß Sigrun noch so wach ist. Es ist spät in der Nacht. In meinem Kopf ist nichts mehr, weder um zu reden noch um zu feiern. Ich möchte nur noch schlafen. Sie sieht es.
    »Du bist jetzt müde, Aksel«, sagt sie.
    Ich nicke.
    »Dann geh doch und leg dich hin«, sagt sie und deutet auf das zweite Schlafzimmer.
    Ich tue, was sie sagt. Die beiden Männer diskutieren eifrig über die Fischereipolitik an der Finnmarkküste.Jetzt dröhnt auf einmal Oscar Peterson aus den Lautsprechern.
    Sie begleitet mich ins Gästezimmer.
    »Erwarte nicht zuviel«, sagt sie leise und richtet das Bett für mich.
    »Ich erwarte gar nichts«, sage ich.
    »Was war das bloß für ein merkwürdiger Tag«, sagt sie und streicht mir leicht über die Wange.
    »Du siehst aber auch müde aus«, sage ich.
    »Wir gehen alle bald schlafen«, sagt sie und gähnt. Dann lehnt sie den Kopf für einen Moment an meine Schulter. Ich lege den Arm um sie. Sie läßt es geschehen.
    »Du bist ein guter Junge, Aksel«, sagt sie und windet sich aus meiner Umarmung.

    Aber das Fest geht weiter. Ich höre es durch die Tür. Bald spielen sie Bellmann. Liebeslieder. »Ach seht meine Schäferin …« Dann Mozart. Das Klavierkonzert in c-Moll. Werden sie nie müde? Worüber reden sie? Ich höre Gunnar Høeghs laute, enthusiastische Stimme. Eirik Kjosen lacht. Sigrun Liljerot lacht. Was gibt es um diese Zeit Wichtiges zu lachen? Was suchen sie, diese drei? Was treibt sie immer weiter und weiter? Sie müssen schon öfter so zusammengesessen haben. Ich liege im Bett und denke an den eigentlichen Grund, warum ich hier im Norden bin.
    Ich weiß, daß ich am Scheideweg stehe.
    Egal, welchen Weg ich einschlage, es wird komplizierter werden.
Traum mit Rachmaninow
    Er geht schleichend und etwas gebückt, so stelle ich mir das jedenfalls vor. In gewisser Weise wirkt er verängstigt, verhuscht und unsicher. Schmale Finger, Spinnenhände. Er kommt über die Hügel von Nikel und schaut hinüber zu den Wachtürmen. Ich rufe ihm zu, daß er nichts riskieren solle. Hier werde auf Menschen geschossen. Wir befänden uns im kalten Krieg. Aber es ist, als würde er mich nicht hören. Er setzt sich in einen altersschwachen Kahn und rudert auf den Pasvikfluß hinaus. Da fangen sie von sowjetischer Seite an zu schießen. Einschläge im Wasser und am Boot, auch Rachmaninow scheint getroffen zu sein. Sein Körper zuckt, aber er läßt sich nicht beirren. Er rudert einfach weiter. Da verstehe ich. Er ist ja tot. Was will er in Norwegen? denke ich. Zu wem will er? Ich stehe in einem Birkenwäldchen und entdecke, daß ich auf ihn warte. Und um mich zu treffen, kommt er! Ich erröte vor Verlegenheit.
    Unverletzt steigt er aus dem Kahn. Mir graut davor, mit ihm zu reden. Es ist nie angenehm, mit den Toten zu reden. Er ist sehr blaß. Seinem Mund entströmt ein strenger, ekelerregender Leichengeruch. Die Kleidung ist alt, aber maßgeschneidert.
    »Seien Sie gegrüßt, Sergej Rachmaninow«, sage ich. »Es ist mir eine

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