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Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau in Rot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot S. Baumann
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Gemahl? Wer käme als Nächstes? Ihr wurde eiskalt, als ihr bewusst wurde, was Johannes’ Tod für sie bedeuten würde. Die Zwillinge würden das Lehen erben und Gerold bis zu ihrer Volljährigkeit die Vormundschaft für sie übernehmen. Ihr wurde übel. Und schon sprach ihr Gatte ihre schlimmsten Befürchtungen aus.
    »… dann versprecht mir, dass Ihr meinen Bruder ehelicht. Er wird ohnedies als Beistand für die Buben eingesetzt. Wenn Ihr sein Weib seid, ist für Euch gesorgt, und niemand wird Euch aus dem Schloss und von meinem … seinem Besitz vertreiben können.«
    »Niemals!«, schrie Bernhardine und sprang auf. »Ihr dürft alles von mir verlangen, nur das nicht! Ich werde mich in alles fügen, was Ihr wollt! Aber keinesfalls werde ich diesen … Teufel heiraten, der Désirée beseitigt hat! Mit so einem soll ich das Bett teilen? Dieses Subjekt soll unsere Söhne aufziehen? Eher bringe ich uns alle um!«
    Johannes schaute sie entgeistert an und richtete sich dann mühsam in seinem Bett auf.
    »Was redet Ihr da für dummes Zeug? Mein Bruder war eindringlich darum bemüht, unsere Tochter zu finden. Er scheute keine Mühe, war einer der strebsamsten Sucher und lief stundenlang durch Schnee und Eis. Wieso sollte er Hand an Désirée gelegt haben?« Johannes ließ sich wieder in die Kissen zurückfallen. Auf seiner Stirn stand Schweiß. Er griff an sein Herz und keuchte. »Ihr seid erregt«, fuhr er fort. »Ihr zieht Euch jetzt besser zurück und überdenkt meinen Vorschlag. Ich bin sicher, morgen werdet Ihr Eure Meinung geändert haben. Es ist der einzige Weg.«
    Verstört stolperte Bernhardine in ihr Zimmer, schlug die Tür hinter sich zu und warf sich aufs Bett. »Versprecht mir, dass Ihr Gerold ehelicht.« Johannes’ Worte dröhnten in ihrem Kopf, wurden lauter und lauter, bis sie sich wimmernd die Ohren zuhielt.
    Was sollte sie tun? Als Witwe hatte sie keinerlei Rechte. Keiner würde ihr Unterstützung antragen. Für die Seenger Bürger war sie auch nach drei Jahren immer noch die Fremde aus dem noblen Bern und mehr geduldet als anerkannt. Wäre Flucht eine Möglichkeit? Vielleicht zusammen mit Cornelis?
    Eine winzige Hoffnung keimte in ihr auf. So klein und zart wie ein frisch geschlüpfter Schmetterling. Ein Leben … eine Liebe mit Cornelis? Frei aller Zwänge und Pflichten. Keine langweiligen Essen, keine gehaltlosen Gespräche mit ungehobelten Adeligen, kein ödes Sticken mehr. Und was ihr als das Erstrebenswerteste erschien: ein Ende der lästigen Ehepflichten! Stattdessen lockten Lust und Erfüllung in den Armen des Geliebten.
    Bernhardines Herzschlag beschleunigte sich, und das Blut schoss ihr ins Gesicht. Doch eine kleine Stimme in ihrem Kopf meldete sich sogleich zu Wort. Eindringlich und nervtötend: Was ist dann mit deinen schönen Kleidern? Den wertvollen Juwelen? Und der jährlichen Fuchsjagd? Wer wird dir noch Hochachtung zollen? Und die Zwillinge? Werden sie ihrem Stand entsprechend aufwachsen und erzogen? Oder wären sie nichts und besäßen auch nichts? Außer einem Leben in Armut und Abhängigkeit? Willst du ihnen … willst du dir das antun?
    »Schweig!«, schrie sie und trommelte mit den Fäusten auf das Kopfkissen. »Schweig endlich still!«
    Eine Tür fiel ins Schloss. Bernhardine schreckte auf. Wer war zu dieser späten Stunde noch unterwegs? Sie horchte angespannt und vernahm jäh ein heiseres Lachen. Ruckartig wandte sie den Kopf, versuchte, in den dunklen Ecken des Raumes etwas zu erkennen. Doch da war nichts. Nun schien das Gelächter aus dem Kamin zu kommen. Nein, aus dem Schrank! Dann drang es plötzlich unter ihrem Bett hervor. Ihr stockte der Atem. Kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn, und ihr Herzschlag raste. Sie schlüpfte ins Bett und zog sich die Decke über den Kopf.
    »Vater, der Du bist im Himmel. Geheiligt werde Dein Name, Dein Reich komme, Dein …« Sie presste ihre gefalteten Hände fest an die Brust, »… erlöse uns von dem Bösen.«
    Das Gelächter schwoll daraufhin kurz an, verebbte dann aber langsam wie eine Welle, die ans flache Ufer schlägt. Innerhalb von Sekunden war die Temperatur im Zimmer rapide gesunken; die Schweißtropfen auf Bernhardines Stirn kristallisierten zu Eis. Sie keuchte und schlotterte vor Angst. Doch plötzlich war der Spuk vorbei. Die Wärme des Kaminfeuers kroch unter die Decke zurück wie eine schläfrige Katze und wiegte sie in ihren Armen. Bernhardine war so erschöpft, dass sie sich keinen Zoll mehr bewegen konnte. Dennoch

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