Die Frau meines Lebens
sagen.
Ich war so
wahnsinnig erleichtert, daß die ganze Geschichte aus mir heraussprudelte. Die
Worte hüpften mir geradezu von der Zunge. Ich erzählte, daß ich Isabelle im Café
getroffen hatte, daß ich mich auf der Stelle in sie verliebt hatte, daß ich
mich nicht getraut hatte, sie anzusprechen, wie sie mir ihre Telefonnummer
gegeben hatte und was für ein verdammtes Pech ich dann gehabt hatte.
»Aber nun
ist ja alles gut«, schloß ich meinen abenteuerlichen Bericht. »Ich muß Isabelle
wiedersehen. Am besten heute noch. Sie sind Ihre Freundin, bitte helfen Sie
mir.«
Natalie
überlegte einen Moment. Im Hintergrund sang Coralie Clement » Le samba de mon cœur qui bat «, ich
konnte es deutlich hören. Alles paßte. Sogar die Musik.
»Ich
fürchte, das wird schwierig«, sagte Natalie schließlich. »Heute abend ist
Isabelle nicht zu Hause, und morgen fährt sie für zwei Wochen ans Meer, nach
Deauville zu ihrer Mutter.«
Ich sah mich
schon in meinem kleinen Auto nach Deauville rasen. In zwei Wochen konnte viel
passieren. Nein wirklich, ich hatte nicht vor, mich so kurz vor dem Ziel
abwimmeln zu lassen.
»Natalie,
kommen Sie! Es muß doch eine Möglichkeit geben, daß ich Isabelle vorher noch
sehen kann. Bitte, haben Sie ein Herz für einen bis über beide Ohren
verliebten, ungeduldigen Mann.« Ich gab alles. »Hören Sie, ich bin nicht irgend
so ein blöder Frauenaufreißer, der Ihrer Freundin nachstellt. Sie selbst hat
mir ihre Nummer gegeben, bedenken Sie das! Ich bin Buchhändler, ich habe einen
festen Wohnsitz, ich habe ein gesichertes Einkommen, ich meine es ernst.«
Ich hörte,
wie sie lachen mußte. Dann zögerte sie kurz, und ich hoffte, daß sie sich auf
meine Seite schlug.
»Also gut,
Antoine«, sagte sie schließlich. »Sie können wirklich einen Stein erweichen. Im
Moment kann ich Isabelle nicht erreichen, weil ihr Handy kaputt ist, aber ich
glaube Ihnen. Und Sie haben Glück im Unglück. Ich bin gleich mit Isabelle im
Musée Rodin verabredet. Kommen Sie einfach dazu, dann können Sie ihr Ihre
kleine bewegende Geschichte selbst erzählen.«
Frauen sind
wunderbare Geschöpfe!
»Ich komme«,
rief ich. »Wann soll ich da sein?«
»Treffen
wir uns um siebzehn Uhr draußen im Skulpturengarten. Beim ›Denker‹. À tout à l'heure! «
Sie legte
auf. Ich schloß einen Moment die Augen und atmete aus. Dann klappte ich mein
Notizbüchlein zu, steckte das Handy in die Hosentasche und marschierte los.
Ein
leichter Regen setzte ein, als ich die Tuilerien verließ und wieder in Richtung
Seine lief. Ich fand alles ganz wunderbar. Das Musée Rodin lag am anderen Ufer,
im Faubourg Saint-Germain, dem Regierungsviertel. Ich konnte es bequem zu Fuß
erreichen, ohne mich abhetzen zu müssen. Ich schüttelte den Kopf. Wenn ich das
Nathan erzählen würde!
Es war zehn
Minuten nach vier, und meine Suche hatte ein Ende. Die Frau meines Lebens
wartete einen Steinwurf entfernt in einem Skulpturengarten auf mich.
Muß ich
wirklich noch sagen, wie glücklich ich war?
6
Mit
einem Lächeln auf den Lippen überquerte ich den Pont Royal und kam wieder am
linken Ufer der Seine an. Das Musée Rodin kannte ich gut. Erst kürzlich war
dort eine Ausstellung gewesen. Erotische Zeichnungen von Rodin. Ich muß
zugeben, daß sie mir nicht so gut gefallen hatten, wie ich gedacht hatte. Aber
das Museum mochte ich sehr. Die wunderbaren Skulpturen von Rodin und seiner
unglücklichen Geliebten Camille Claudel begeisterten mich jedes Mal aufs Neue.
Schon oft war ich um die schöne Danaide herumgestrichen, eine meiner
Lieblingsskulpturen von Rodin, eine liegende Nackte in weißem Marmor, von der
man sich wünscht, sie würde plötzlich lebendig, ein Frau aus Fleisch und Blut,
weil sie so wunderschön war mit ihrem kopfüber geworfenem langem Haar und dem
vollkommenen Rücken, der in einem anbetungswürdigen kleinen Hintern endete.
Sofort hatte ich wieder Isabelles Gestalt vor Augen. Die Danaide war lebendig
geworden. Ich stellte mir Isabelles seidige Haut unter dem schwarzen Kleid vor,
und mir wurde ganz anders. Paris kann einen schwindlig machen, vor allem, wenn
man verliebt ist.
Ich bog in
die Rue du Bac ein, mußte am belebten Boulevard Saint Germain an einer roten
Ampel warten, um diesen zu überqueren, und lief dann weiter die Rue du Bac
entlang.
Ich
überlegte, warum Isabelle in das Museum ging. Einfach so? Oder hatte sie etwas
mit Kunst zu tun? Ich dachte an ihre ausgefallene Kette und mußte plötzlich
über mich
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