Die Frau meines Lebens
aufgeräumt.
»Das ist
furchtbar nett von Ihnen!« sagte ich erleichtert. »Und – Madame Antonova?«
»Ja?«
krähte sie in den Hörer.
»Danke.«
Ich lächelte. »Und schlafen Sie gut.«
»Sie auch,
junger Mann, Sie auch!«
Ich nickte.
Ich war hundemüde. Ich hatte Isabelle gefunden. Es war Mitternacht, und morgen
war auch noch ein Tag. Ich würde schlafen wie ein Stein, da war ich mir sicher.
Wie hätte
ich auch ahnen können, daß diese Nacht für mich noch lange nicht zu Ende war.
17
Wir
tranken noch ein Glas zusammen. Dann bestellte ich Nathan ein Taxi. Als er sich
von mir verabschiedete, legte er mir beide Hände auf die Schultern und sah mich
ganz merkwürdig an.
»Ich
glaube, ich muß mich bei dir entschuldigen«, sagte er. »Ich hab wirklich gedacht,
du spinnst ein bißchen, als du mir im Bilboquet deine Geschichte erzählt hast.«
Seine Augen flackerten. »Weißt du was? Du bist zu beneiden, Antoine! Du hast
unbeirrt an das Unmögliche geglaubt, und jetzt ist es tatsächlich möglich
geworden.« Er schüttelte den Kopf. »Dein alter Freund ist beeindruckt.«
Ich
grinste. Ich kann nicht abstreiten, daß mich seine Worte mit einer gewissen
Genugtuung erfüllten. So etwas nennt man wohl späte Rehabilitation.
Nathan
machte die Tür auf und wandte sich zum Gehen.
»Ich wünsch
dir Glück.« Er stieß mir mit dem Zeigefinger in die Brust. »Ruf mich an. Ich
will unbedingt wissen, wie es weitergeht.«
»Wird
gemacht.« Ich wünschte ihm eine gute Nacht, und Nathan lief die Treppen
hinunter zum Ausgang.
Ich schloß
die Tür und räumte die Gläser und den vollen Aschenbecher in die Küche. Mir war
seltsam feierlich zumute. Ich hatte heute eine Schlacht geschlagen und war am
Ende siegreich daraus hervorgegangen. Ich hatte einiges gelernt an diesem Tag,
der schon seit einer Viertelstunde vorbei war. Ich hatte gelernt, daß man auf
sich selbst hören soll. Daß es nicht das schlechteste ist, sich auf seine
Gefühle zu verlassen. Daß man nicht so schnell aufgeben darf, wenn es um
Herzensdinge geht. Ja, man muß kämpfen für sein Glück! In der Liebe und im
Krieg ist alles erlaubt. Und es ist nicht verkehrt, nach jeden Strohhalm zu
greifen, der sich einem bietet.
Ich zog
mich aus, schlüpfte in meinen Pyjama und ließ mich auf mein Bett fallen. Ich
starrte an die Decke, und es war mir, als würde sie sich öffnen und mir den
Blick auf einen Himmel voller Sterne freigeben. Mein letzter Gedanke, bevor ich
endlich einschlief, war ein glücklicher.
Morgen,
nein, heute würde ich die Frau meines Lebens wiedersehen!
18
Ich
werfe mit Cola-Dosen auf den Denker von Rodin. Ich habe zehn Cola-Dosen, und
meine Hände sind naß vor Angst. Ich muß die Skulptur zehnmal treffen, sonst
habe ich Isabelle für immer verloren.
Sie sitzt
auf einer Schaukel und sieht zu mir herüber. »Wenn du einmal daneben wirfst,
fliege ich weg«, sagt sie und lacht.
»Nein!«
rufe ich. »Nein!«
Bis jetzt
habe ich fünfmal getroffen. Hinter einer Absperrung stehen Japaner, die mich
photographieren. Jemand reicht mir die nächste Dose. Es ist Monsieur Duchaine
in seiner blau-weiß-gestreiften Schürze. »Diese hier ist mit Lammfleisch«, sagt
er bedeutungsvoll. »Hab ich heute früh selbst abgefüllt. Ist alles 1a-Qualität.«
An seinem Hackebeil klebt Blut.
Ich nehme
die Dose. Sie ist unglaublich schwer. Ich kann sie kaum heben. Ich habe nicht
mehr viel Zeit. Isabelle fängt schon an zu schaukeln. Ich werfe die Dose mit
aller Kraft. Sie fliegt gegen den Denker. Der Denker stürzt von seinem Sockel,
und alle schreien auf.
Der
Museumswärter kommt auf mich zu. Er trägt ein Silbertablett und ist sehr
zornig. »Dies ist kein Café für Sie, Monsieur!« ruft er und packt mich am Arm.
»Gehen Sie, sonst hole ich die Polizei.«
Ich bin
verzweifelt. »Aber ich mußte es tun«, versuche ich zu erklären. »Ich liebe
diese Frau!« Ich zeige auf Isabelle, doch die Schaukel ist plötzlich leer.
Isabelle schwebt mit ihrem roten Schirm davon wie Mary Poppins und läßt
Hunderte von kleinen weißen Karten wie Konfetti herunterregnen. Die Karten sind
leer.
Ich reiße
mich los. »Isabelle«, rufe ich, »Isabelle! Wo fliegst du hin?« Ich laufe hinter
ihr her so schnell ich kann. Sie schwebt über die Seine, Richtung Eiffelturm.
»Sie geht
zum Fest«, sagt eine Stimme hinter mir. Es ist Rüdi, der schwule Friseur. Er
lächelt verzückt und hat einen Zauberhut auf, »Ich habe allen Dreadlocks
gemacht«, erklärt er. »Nur damit kann man
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