Die Frau mit dem roten Herzen
kostete seinen Preis.
Das Telefon klingelte erneut. Diesmal war es Minister Huang aus Peking. Noch nie hatte ihn der Minister zu Hause angerufen; offenbar war er besorgt über die Entwicklungen.
»Das ist ein wichtiger Fall«, sagte Huang, »wichtig vor allem für die Beziehungen unserer beiden Staaten. Eine erfolgreiche Kooperation mit den Amerikanern wird dazu beitragen, Spannungen abzubauen. Sie wissen schon, der Tiananmen-Zwischenfall.«
»Ich verstehe, Minister Huang. Wir tun unser Bestes, aber es ist schwierig, jemanden in so kurzer Zeit zu finden.«
»Die Amerikaner sehen, daß wir es ernst meinen, aber sie erwarten einen Durchbruch. Sie haben schon mehrmals hier angerufen.«
Chen überlegte, ob er dem Minister seine Vermutungen mitteilen sollte, vor allem was die Verbindungen der Bande zur Polizei in Fujian betraf. Er entschied sich jedoch, es nicht zu tun, zumindest nicht direkt. Womöglich gab es auch hier politische Implikationen. Falls sich der Minister bemüßigt fühlte, die örtlichen Polizeikräfte in Schutz zu nehmen, würde das die Ermittlungen nur erschweren.
»Hauptwachtmeister Yu hat es nicht leicht in Fujian. Die örtliche Polizei gibt ihm keinerlei Hinweise. Man scheint dort mit anderen Dingen beschäftigt zu sein. Yu kann es nicht allein mit diesen Kriminellen aufnehmen. Und mir sind, Tausende von Kilometern entfernt, die Hände gebunden.«
»Keineswegs, Oberinspektor Chen. Sie haben volle Befehlsgewalt. Ich werde mich persönlich mit Dienststellenleiter Hong in Verbindung setzen. Treffen Sie die politischen Entscheidungen, die Sie für nötig halten. Das Ministerium steht hinter Ihnen.«
»Vielen Dank, Minister Huang.« Bislang hatte er noch keine politischen Entscheidungen treffen müssen und ihm war nicht klar, was der Minister damit meinte.
»Polizeiarbeit kann enorme Probleme mit sich bringen. Man braucht fähige Mitarbeiter, um solche Situationen zu meistern, und junge Beamte wie Sie sind heutzutage selten.«
Dann legte er noch eins drauf: »Die Partei zählt auf Sie, Genosse Oberinspektor Chen.«
»Verstehe. Ich werde tun, was die Partei von mir erwartet, auch wenn es gilt, einen Berg aus Schwertern und ein Meer aus Feuer zu bezwingen.« Zwei Zeilen aus einem Tang-Gedicht kamen ihm in den Sinn. Für dich, der du mich zum General auf goldener Bühne gemacht hast, / werde ich das Drachenschwert aus Jade schwingen und bis zum bitteren Ende kämpfen. Der alte Minister hatte ihn nicht nur für diese Aufgabe empfohlen, sondern ihn auch persönlich zu Hause angerufen, um den Fall zu besprechen. »Ich werde Sie nicht enttäuschen, Minister Huang.«
Doch während Oberinspektor Chen den Hörer auflegte, fühlte er sich ganz und gar nicht wie einer, der das Drachenschwert aus Jade schwingt.
Minister Huang hätte besser Parteisekretär Li anrufen sollen. Der Ausdruck »enorme Probleme« klang im Zusammenhang mit den Ermittlungen nicht gerade ermutigend. Chen hatte das ungute Gefühl, daß der alte Minister hinterm Berg gehalten hatte. Was mochte es für seine eigene Karriere bedeuten, daß der Minister Parteisekretär Li absichtlich übergangen hatte?
Zwanzig Minuten später betrat er Lis Büro, und zwar keineswegs so emotionslos, wie der in der Xinming-Zeitung beschriebene Go-Spieler.
»Ich werde den Tag über mit Sitzungen beschäftigt sein«, sagte Li und blies in eine Schale heiße Sojasprossensuppe. »Deshalb wollte ich jetzt mit Ihnen reden.«
Zunächst berichtete Oberinspektor Chen über das Gespräch mit Qiao, der Schwangeren aus Guangxi.
»Sie haben sich große Mühe gegeben, Oberinspektor Chen, aber die Themen dieses Gesprächs scheinen mir schlecht gewählt.«
»Wie kommen Sie darauf, Parteisekretär Li?«
»Es ist in Ordnung, wenn Sie Inspektor Rohn an der Befragung von Wens Verwandten teilnehmen lassen, doch es war wohl keine gute Idee, sie zu dieser Schwangeren aus Guangxi mitzunehmen. Die Amerikaner machen doch regelmäßig ein großes Geschrei wegen unserer Bevölkerungspolitik.«
Chen beschloß, ihren Besuch bei Gu vorerst nicht zu erwähnen. Unmoralisches Gewerbe, Triaden-Verbindungen, Polizistenbestechung – das würde ebenfalls kein vorteilhaftes Bild vom sozialistischen China vermitteln.
»Ich wußte ja nicht, daß es sich so entwickeln würde«, sagte er. »Außerdem habe ich Inspektor Rohn die Grundlagen unserer Bevölkerungspolitik auseinandergesetzt.«
»Ich habe keinen Zweifel daran, daß Sie Ihren Prinzipien treu geblieben sind«, sagte Li langsam
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