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Die Frau ohne Gesicht

Die Frau ohne Gesicht

Titel: Die Frau ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pekka Hiltunen
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meisten das nötige Werkzeug, etwa ein Computer und Internetverbindung fehlte, fiel es ihnen schwer, aktiv zu werden. Den Nachrichten zufolge hatte Orpheus nur rund hundert Beschwerden bekommen.
    »Das wird sich ändern«, sagte Mari und führte Lia in den Hinterhof eines großen Hochhauses. Sie schloss eine schwere Stahltür auf und trat ein. Lia folgte ihr in den ersten Stock, wo sich ein gewöhnliches, etwas schäbiges Büro befand.
    Außer ihnen war niemand da. Mari führte Lia in einen Raum, in dem etwa zwanzig Tische und Stühle aufgereiht standen. Auf jedem Tisch lag ein Kopfhörer mit Mikrofon.
    »Morgen kommen fünfzehn Studenten und rufen bei Orpheus an. Damit beginnt eine Kampagne, die hoffentlich dazu führt, dass die Firma ihre Entscheidung zurücknimmt«, erklärte sie.
    Lia starrte sie an und wusste nicht, was sie sagen sollte. Auch diese Geschichte klang einigermaßen seltsam.
    »Ihr versucht, einen großen Teleanbieter durch die Telefonate von fünfzehn Studenten zu Fall zu bringen?«, fragte sie.
    »Nein«, erwiderte Mari lächelnd. »Wir werden noch einiges andere tun.«

13.
    Zwei Tage später saß Lia am frühen Abend erneut in dem Hinterhofbüro und lauschte auf das Stimmengewirr. An den Tischen vor ihr saßen gut zehn Studentinnen und Studenten und sprachen in ihr Handymikrofon.
    »Sie treten meine Rechte als Konsument mit Füßen, und ich möchte offiziell Beschwerde einlegen …«
    »Doch, ich habe die Vertragsklauseln gelesen, aber ich bin nicht einverstanden …«
    Alle sprachen ruhig und bestimmt. Sie waren nicht bereit, sich die Antwort ihres Gesprächspartners anzuhören, sondern unterbrachen ihn höflich und redeten weiter: Sie akzeptierten die Kündigung ihres Billiganschlusses nicht. Sie bestanden darauf, dass ihr Einspruch offiziell registriert wurde. Sie würden den Fall vor die Verbraucherschutzbehörde bringen. Das hätten auch alle ihre Bekannten vor, die bei Orpheus Kunden waren.
    Wenn ein Gespräch beendet war, riefen sie sofort erneut an und erzählten dem nächsten Kundendienstmitarbeiter dasselbe. Dabei verwendeten sie jedes Mal einen anderen Namen von einer Liste, die vor zwei Einkaufszentren in London gesammelt worden waren, indem man Passanten aufgefordert hatte, einen gegen Orpheus gerichteten Aufruf zu unterschreiben. Bereits in diesem Moment wurde eine zweite Liste gesammelt.
    Während Lia das Treiben beobachtete, schwirrten ihr Fragen durch den Kopf.
    Wie wollen sie verhindern, nicht erwischt zu werden? Möchte ich mit der ganzen Sache wirklich etwas zu tun haben?
    Maggie Thornton kam herein, hochzufrieden.
    »Wir haben heute ein gutes Tempo vorgelegt«, flüsterte sie Lia zu.
    An diesem einen Tag waren mehr als zweitausend Anrufe erfolgt.
    Als eine der Studentinnen eine Pause machte, um Kaffee zu holen, blieb sie kurz bei ihnen stehen und wechselte ein paar Worte mit Maggie, die hier nicht die Schauspielerin Maggie Thornton war, sondern die Kampagnenchefin der Verbraucherorganisation »Consume With Care« .
    Wenn ich im Internet nachsehe, finde ich dort mit Sicherheit eine Website der Organisation und ein Foto der Kampagnenchefin, das Maggie zeigt. Sie haben an alles gedacht.
    Im Nebenraum fand Lia Mari, die am Computer die Zahl der Telefonate verfolgte. Bei den Studenten ließ sie sich nicht blicken.
    »Ich möchte dir etwas zeigen«, sagte Mari.
    Sie rief eine Website auf, an deren oberem Rand das Logo von AskIng stand. Am Morgen war den Medien das Ergebnis einer Umfrage zugegangen, wonach die Entscheidung von Orpheus, die Billigverträge zu kündigen, von 68 Prozent der Briten verurteilt wurde und für 57 Prozent aus diesem Grund kein Orpheus-Anschluss mehr in Frage kam. Die Umfrage war von der kleinen Marktforschungsfirma AskIng durchgeführt worden.
    AskIng hatte eine Website, eine Telefonnummer und eine Angestellte, deren Aufgabe es war, Fragen zu der Erhebung zu beantworten. Im Lauf des Tages hatten sechs Zeitungen und ein Fernsehsender um genauere Informationen gebeten. Die Angestellte hatte erklärt, AskIng könne die Untersuchung nicht in ihrer Gesamtheit veröffentlichen, weil sie einige Angaben enthalte, die durch das Geschäftsgeheimnis geschützt seien. Stattdessen wurde den Anrufern ein zusammenfassender Bericht zugeschickt, aus dem hervorging, dass die Umfrage sachgemäß durchgeführt worden war.
    Eine Umfrage, die es nicht gibt, eine Marktforschungsfirma, die es nicht gibt, und eine Verbraucherorganisation, die es nicht gibt. Fünfzehn Studenten und

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