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Die Frau ohne Gesicht

Die Frau ohne Gesicht

Titel: Die Frau ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pekka Hiltunen
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verurteilt worden, von denen er zweieinhalb abgesessen hatte. Nun war er auf Bewährung aus der Haft entlassen.
    »Deshalb ist das Arrangement mit dem Studio für ihn perfekt. Die größeren Sicherheitsunternehmen stellen ihn nicht mehr ein, und für die kleineren ist er zu qualifiziert. Mit den Aufträgen, die er von mir bekommt, ist er zufrieden. Und ich mit ihm.«
    Maris Bericht über Paddy lieferte Lia die Antwort auf eine Frage, die sie das ganze Gespräch über beschäftigt hatte. Alle anderen im Studio schienen kreative Experten für verschiedene Bereiche zu sein, Mari selbst war Psychologin. Offenbar erklärte Paddy Moores Erfahrung bei der Polizei und in der Sicherheitsbranche, wieso die Arbeit des Studios so zielstrebig wirkte. Matt Thomas’ Interview war Lia wie das Produkt einer militärisch präzisen Maschinerie vorgekommen.
    Mari musterte Lia.
    »Es ist nicht allein Paddys Verdienst«, sagte sie, »du solltest keinen von uns unterschätzen.«
    »Was hindert die vier daran, auszuplaudern, was das Studio macht?«
    »Im Prinzip nichts«, sagte Mari.
    Aber die Mitarbeiter hätten sich schriftlich zu Stillschweigen verpflichtet und würden gut bezahlt. »Außerdem suche ich nur Leute aus, denen ich vertraue.«
    Mari zuckte kurz zusammen, als der Computer auf dem Schreibtisch piepte.
    »Ist es dir recht, wenn ich schnell meine Mail lese?«, fragte sie.
    Lia nickte. Als Mari zum Schreibtisch ging, erhob sie sich ebenfalls und sah sich um. In dem großen Wandregal hinter dem transparenten Stoff stand eine beeindruckende Sammlung von Fachbüchern und digitalen Speichersätzen zu verschiedenen Gebieten: Psychologie, Informationstechnik, Sprachwissenschaft und vieles mehr. Einen Teil des Regals füllten Ordner, die mit Nummernreihen beschriftet waren.
    »Die Ordner enthalten alle unsere Jobs«, erklärte Mari, ohne aufzublicken. »Ich mag traditionelle Archive. Die sind irgendwie konkreter als digitale.«
    Lia sah, dass der erste »Job« sieben und der Fall Nr. 24 sogar sechzehn Ordner füllte. Der jüngste Einsatz trug die Nummer 41 und belegte fünf Ordner.
    Das kann nicht Matt Thomas’ Interview sein, es ist sicher noch nicht archiviert. Was ist hier alles abgeheftet?
    Und plötzlich begriff Lia, weshalb Mari selbst am späten Abend noch so viel Interesse an ihren Mails zeigte: Auch jetzt lief irgendeine Operation.
    Lia betrachtete Mari, die voll auf ihre Lektüre konzentriert war. Selbst um diese Uhrzeit und nach zwei Glas Wein wirkte sie hoch konzentriert und effektiv.
    Lia blickte auf die Uhr. Es war weit nach zehn.
    »Ich muss allmählich nach Hause.«
    »Okay«, sagte Mari und stand auf. »Kommst du morgen wieder?«
    »Gibt es was Besonderes?«
    »Ich dachte nur, du hättest vielleicht Lust vorbeizuschauen.«
    »Ich weiß nicht, mal sehen.«
    Zu Hause in Hampstead hätte Lia den Statuen im Park viel zu erzählen gehabt. Aber sie war so müde, dass sie sofort ins Bett kroch. Dieser Tag hatte alles verändert. In ihrem Kopf wirbelten die Gedanken wild durcheinander, doch zum Glück siegte die Erschöpfung.

12.
    Am nächsten Tag kehrte Lia gleich nach der Arbeit in die Park Street zurück. Mari schien sie erwartet zu haben.
    Im Studio waren noch zwei Mitarbeiter.
    »Möchtest du sie kennenlernen?«
    »Warum nicht.«
    In der Küche saßen die Schauspielerin Maggie Thornton, die Lia bereits vom Video kannte, und ein etwas älterer Mann, der sich als Berg vorstellte.
    »Wie geht’s?«, fragte Maggie, während sie Tee eingoss. »Du findest das Studio sicher ein bisschen wunderlich.«
    »Mehr als nur ein bisschen«, antwortete Lia.
    »Das geht bald vorbei. Man gewöhnt sich erstaunlich schnell daran«, lachte Maggie. Ihre direkte Art war ansteckend. Sie war sorgfältig gekleidet, trug ein gewagtes rotes Kleid mit Schultertuch, aber ihr fehlte der für Schauspieler typische Narzissmus. Sie stellte Fragen über Level , die verrieten, dass sie die Zeitschrift gut kannte und vor allem Lias Ansichten hören wollte.
    Natürlich. Sie hat recherchiert.
    Berg war ein Ereignis. Lia hatte einen feinsinnigen Künstler erwartet, einen Bohemien. Doch Berg war ein großer Mann in einem riesigen Arbeitsoverall. Er lachte oft und laut. Als Maggie über seinen wachsenden Leibesumfang spöttelte, streckte er glücklich strahlend seinen kugelrunden Bauch nach vorne und bat Mari, draufzuklopfen.
    Maggie und Berg plauderten in aller Ruhe; sie schienen keine Eile zu haben, das Studio zu verlassen.
    Ein Arbeitsplatz, an dem man sich

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