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Die Frau ohne Gesicht

Die Frau ohne Gesicht

Titel: Die Frau ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pekka Hiltunen
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als junges Mädchen in ihrem Heimatstaat Ohio zur Schönheitskönigin gewählt worden war.
    Lia zog die Augenbrauen hoch. Sportschießen, Gemeindearbeit, Unternehmen und eine viel jüngere Miss Ohio als Ehefrau. Nicht unbedingt das typische Leben eines Jungen aus Wales.
    Als Türen klapperten und nach und nach alle Kollegen im Großraumbüro eintrafen, hatte Lia die ausführlicheren Artikel über Fried gelesen.
    Sie beschloss, Timothy Phelps auszufragen.
    »Guten Morgen, Tim.«
    »Guten Morgen, Süße.«
    »Was weißt du über Arthur Fried?«
    »Eine seltsame Frage so früh am Morgen«, sagte Timothy und sah Lia neugierig an. »Wieso interessierst du dich für Fried?«
    Lia hatte eine Erklärung parat.
    »Ein Zeichner hat uns Karikaturen von Politikern angeboten und als Probe ein Bild von Fried geschickt. Ich überlege, ob das Stoff für eine größere Story abgeben könnte.«
    »Na ja, kurz vor der Parlamentswahl vielleicht. Frieds Trupp hat momentan Aufwind, das ist schon interessant.«
    In Großbritannien habe es natürlich immer Konservative gegeben, führte Timothy aus, aber Fair Rule versuche, alle lautstarken Kräfte der äußeren Rechten zu versammeln: junge Randalierer aus den Vorstädten ebenso wie christlich-konservative Moralprediger.
    »Eine schwierige, aber faszinierende Mischung. Ich brenne nicht unbedingt darauf, ihre Parteiversammlungen zu besuchen. Als Persönlichkeit ist Fried aber imponierend.«
    »Inwiefern?«
    »Er ist ein vorzüglicher Redner, der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hält. Der Traum jedes Journalisten. Ich habe den Eindruck, dass er größere Pläne verfolgt. Irgendwann hieß es, er wolle zu den Tories überlaufen, aber das Gerücht hat sich nicht bestätigt. Als Anführer seiner eigenen Bande kommt er ja auch besser zur Geltung als in einer großen Partei, wo er einer unter vielen ist und keine großen Sprüche klopfen darf.«
    »Und sein Privatleben? Irgendwelche Skandale oder Probleme?«
    »Nichts, wovon ich gehört hätte. Seine Frau ist ein Hingucker: eine langbeinige, blondierte Puppe, die in irgendeiner Kirchengemeinde arbeitet. Sie haben zwei Kinder. Eine ganz normale Familie also, aber irgendwie wirken die beiden so künstlich, dass es einen gruselt. Als wären sie Roboter, darauf programmiert, eine große Vision zu verwirklichen. Wahrscheinlich die große Vision des Herrn.« Timothy sah Lia nachdenklich an. »Toll, dass du über Themen und Serien für uns nachdenkst«, fügte er dann hinzu. »Das ist ja auch einer von Taylors Vorzügen, er sucht ständig nach neuen Ideen. Arthur Fried ist allmählich interessant und wichtig genug für eine Reportage.«
    Als Lia an ihren Arbeitstisch zurückging, überlegte sie, ob es Zufall war, dass Timothy den Artdirector erwähnt hatte. Timothy war stellvertretender Chefredakteur und damit nach Matt Thomas der Ranghöchste in der Redaktion. Hatte er etwas über die Nachfolge von Taylor gehört?
    An der Redaktionssitzung beteiligte Lia sich eifriger als sonst. Sie lieferte den Impuls zu einer Artikelserie über Bücher und Songs des 21. Jahrhunderts, die gesellschaftliche Wirkung hatten. Die ersten Kollegen waren schon zum Lunch gegangen, da kam Martyn Taylor auf sie zu und sagte: »Gut gemacht, Miss Finnland.«
    Als Lia an diesem Abend ins Studio kam, war Mari in ihre Arbeit vertieft.
    »Ich habe noch eine Besprechung mit Paddy. Geh inzwischen mal zu Rico. Wenn du uns schon Arbeit anschleppst, solltest du auch das ganze Team kennen.«
    Mari öffnete ihr die Tür zum IT -Reich, und Lia schlüpfte in den dämmerigen Raum. Rico stand auf und begrüßte sie, als hätte er sie erwartet.
    »Du kommst genau im richtigen Augenblick. Ich bin dabei, den Brunnen zu öffnen. Das dauert einige Zeit, und dazwischen hast du meine volle Aufmerksamkeit.«
    Er führte sie zum Computer und tippte ein paar Befehle ein.
    Rico war ein bisschen älter als Lia, etwa dreißig, dünn wie eine Bohnenstange, und er trug die schwarzen lockigen Haare kurz. Das brasilianische Erbe zeigte sich in einem leichten Akzent und in seinen Gesichtszügen. Dort war es besonders um seine Augenpartie herum zu sehen, oder wäre zu sehen gewesen, hätte er nicht eine so seltsame Brille aufgehabt. Sie hätte auch Elton John oder einen brillenverrückten Dragshow-Star schmücken können. An den Bügeln pulsierten Lichtstreifen, auf den Gläsern saßen Punkte, die sich aus einem bestimmten Winkel betrachtet in kleine Spiegelflächen verwandelten, und über der ganzen Pracht

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