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Die Frau ohne Gesicht

Die Frau ohne Gesicht

Titel: Die Frau ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pekka Hiltunen
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weiß.
    Was bereitet Mari solche Sorgen? Fried ist wie ein Import aus den USA , ein rechtsorientierter Evangelistenpolitiker. Die haben es in Großbritannien noch nie weit gebracht.
    »Warum muss Fried aufgehalten werden?«, hatte Lia Mari gefragt.
    Weil Arthur Fried viel bedeutsamer sei, als man glaube, hatte Mari erklärt. Bei der Wahl in einem halben Jahr werde er mit Sicherheit einen Sitz im Parlament bekommen und dank seiner Stimmenzahl noch einige seiner Parteigenossen mitziehen.
    Woran erkannte Mari das? Und warum musste es verhindert werden? Musste man es nicht im Namen der Demokratie akzeptieren, wenn das Volk diese Leute wählen wollte?
    »Ich habe Fried zu oft aus der Nähe gesehen. Der Mann ist der Teufel in Person.«
    Es war Mari anzuhören, dass ihre Besorgnis über einen längeren Zeitraum gewachsen war. Sie hatte Fried schon vor Jahren erlebt, als er in einem Museum im Rahmen eines Projekts, bei dem ein Dialog zwischen Kunst und Politik angestrebt wurde, die Eröffnungsrede zu einer Ausstellung klassischer Gemälde gehalten hatte. In dieser Rede hatte Fried die »für unsere Zeit vorbildhafte Schönheit« der Gemälde gepriesen. Nach Maris Ansicht hatten die ländlichen Idyllen, die vornehmen Jagdgesellschaften und die in Hofkleidung posierenden jungen Mädchen eher einschläfernd gewirkt.
    Mari hatte aus der Nähe beobachtet, wie Fried den Umstehenden lächelnd die Hand gab.
    »In seinen Augen lag eine ungeheure Kälte.«
    Fried habe dabei die Menschen, denen er die Hand schüttelte, innerlich in zwei Kategorien eingeordnet: Einige erschienen ihm nützlich, die meisten überflüssig, und die Letzteren verachte er, sagte Mari. »Es war entsetzlich, ihm zuzuschauen.«
    »Klingt nach einem widerwärtigen Kerl. Aber berechnende Politiker sind nicht gerade selten – was ist an diesem Mann so gefährlich?«
    Es gebe an Fried manches, was auf den ersten Blick nicht zu sehen sei, hatte Mari gesagt. Lia müsse ihr einfach vertrauen.
    »Lies alles, was du über Fried findest. Wir müssen ihn durch und durch kennen.«
    Und so hatte Lia begonnen, Artikel über Fair Rule zu lesen. Sie wollte sich zuerst mit den seriösen Quellen befassen, bevor sie sich dem bunten Angebot im Internet zuwandte.
    Allmählich zeichnete sich das Bild eines Mannes ab, der in seinem Leben vieles erprobt und seine Energie schließlich auf die Politik konzentriert hatte.
    Arthur Fried kam aus Wales. Seine Eltern waren aus den USA eingewandert; sie hatten sich zunächst in Swansea niedergelassen und waren später nach Newport gezogen, wo ihr Sohn nach dem Schulabschluss als Arbeiter in eine große Gießerei gegangen war. Frieds Familie war sehr religiös. Diesen Abschnitt seines Lebens schilderte er gern und oft – er bot ihm Gelegenheit, über seinen religiösen Hintergrund zu sprechen und zu betonen, dass ihm das Leben der kleinen Leute vertraut war.
    Arthur Fried hatte die Fabrikarbeit bald hinter sich gelassen und am Gwent College in Newport Marketing studiert. Danach hatte er in verschiedenen Berufen gearbeitet: als Immobilienmakler, Radiosprecher, Handelsvertreter für einen Waffenimporteur, Servicechef einer Hotelkette, Vorsitzender eines Unternehmerverbandes.
    Alles Sprechberufe, stellte Lia fest. Wahrscheinlich brauchte man auch im Waffenhandel Redegewandtheit. Der häufige Wechsel deutete auf Unternehmungslust hin, aber auch auf Unrast und vielleicht darauf, dass niemand den jungen Fried fest anstellen wollte.
    Als Nächstes hatte er zwei Unternehmen gegründet, ein Maklerbüro und eine Consultingfirma. Dann war er für ein Jahr in die USA gegangen. Über diese Zeit berichteten die Zeitungen nur, dass er dort unternehmerisch tätig gewesen sei. Zudem habe sich in Amerika seine religiöse Überzeugung gefestigt. Nach seiner Rückkehr hatte er sein Interesse für gesellschaftspolitische Fragen entdeckt und die Partei Fair Rule gegründet.
    »Es war ein entscheidender Moment. Als wäre ich aus der Dunkelheit ans Licht getreten. Ich erkannte, dass den Menschen in Großbritannien ein Sprachrohr fehlte, eine Partei, die die Ehre des Landes wiederherstellt. Ich wusste, dass mir trotz all meiner Unzulänglichkeiten diese Aufgabe zufiel«, hatte Fried gegenüber der Zeitung The Scotsman gesagt.
    Die Hobbys des »Sprachrohrs der Menschen« waren Golf, Sportschießen sowie Freiwilligen- und Gemeindearbeit. Seine Frau, die Amerikanerin Anna Belle Fried, hatte er in New York kennengelernt. Keine Zeitung versäumte zu erwähnen, dass sie

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