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Die Frau ohne Gesicht

Die Frau ohne Gesicht

Titel: Die Frau ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pekka Hiltunen
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Leute aus Lettland?«
    »Lettland ist ein kleines Land. Ich glaube nicht.«
    Lia winkte ihn näher heran und hielt ihm einen klein zusammengefalteten Zwanzig-Pfund-Schein hin. »Und lettische Prostituierte? Sind heute Abend welche hier?«
    Der Barkeeper grinste und nahm das Geld.
    »Die alle!«, entgegnete er und zeigte in die Runde.
    Lia funkelte ihn wütend an. »Lass den Quatsch! Ich frage aus einem wichtigen Grund.«
    Der Mann steckte das Geld in seine Hosentasche. Er sah sich suchend um und zeigte schließlich auf eine große, rothaarige Frau.
    »Sie weiß es«, sagte er.
    Lia dankte ihm und trat ein wenig zur Seite.
    Die Rothaarige war vergleichsweise dezent gekleidet: Sie trug schwarze Lederstiefel, einen schwarzen Rock und eine rote Rüschenbluse. In ihrer Gesellschaft waren zwei weitere Frauen und ein Mann. Schnell bemerkte Lia, dass der Mann sich nicht am Gespräch beteiligte. Er war dunkelhaarig, trug einen schwarzen Anzug und schien nicht in Feierlaune zu sein.
    Wenn das Prostituierte sind, ist er ihr Beschützer. Oder ihr Zuhälter. Beides schlecht für mich.
    Sosehr sie auch nachdachte, ihr fiel kein Vorwand ein, sich der Gruppe zu nähern. Als Aljoscha sie auf die Tanzfläche winkte, warf ihm Lia nur eine Kusshand zu.
    Nach etwa zehn Minuten machten sich die Frauen gemeinsam auf den Weg zur Toilette. Der Mann blieb stehen.
    Lia eilte der kleinen Gruppe nach. Vor der Damentoilette, die in einem schmalen Gang hinter dem Clubsaal lag, hatte sich eine lange Schlange gebildet, und als Lia ankam, wollten die Rothaarige und ihre Freundinnen gerade kehrtmachen.
    Jetzt! Komm direkt zur Sache!
    »Hallo, ich bin Lia. Darf ich Sie etwas fragen?«
    Die Rothaarige lächelte überrascht, aber freundlich.
    »Natürlich.«
    »Ich bin zum ersten Mal hier. Ich suche meine Schwester. Sie hat früher in Lettland gewohnt, ist aber kürzlich nach London gekommen. Kennen Sie hier zufällig Lettinnen?«
    »Ich glaube nicht«, antwortete die Frau, plötzlich misstrauisch. »Meine Familie stammt aus Lettland, aber ich bin jetzt Engländerin.«
    »Können wir uns kurz unterhalten? Ich lade Sie zu einem Drink ein.«
    »Ich glaube nicht«, wiederholte die Frau. »In London gibt es viele Lettinnen. Ich weiß aber nicht, ob sie hierherkommen.«
    Sie sagte auf Russisch etwas zu ihren Freundinnen. Lia vermutete, dass es übersetzt ungefähr Folgendes bedeutete: Die spinnt. Gehen wir.
    Bevor sich die drei aber in Bewegung setzten, wandte sich die Rothaarige noch einmal an Lia: »Es tut mir leid. Hoffentlich finden Sie Ihre Schwester.«
    »Ich glaube, sie ist in Schwierigkeiten geraten. Deshalb brauche ich Rat.«
    Die Frau merkte auf.
    »Was für Schwierigkeiten? Welchen Rat?«
    »Ich weiß es nicht mit Sicherheit«, begann Lia vorsichtig, »aber ich vermute, dass sie in einer Branche gearbeitet hat, in der eine Frau Probleme bekommen kann … mit den Kunden oder mit ihrem Boss.«
    Die Rothaarige schwieg, und ihr Blick wurde kühler.
    »Bitte, es dauert nur einen Moment«, fuhr Lia hastig fort. »Einer Schwester muss man doch helfen.«
    »Natürlich …«
    Noch einmal sagte Lia: »Bitte.«
    »In London gibt es natürlich einige lettische Frauen, die in der Branche arbeiten, von der Sie, denke ich, sprechen«, sagte die Rothaarige. »Aber sie haben alle einen Boss, der sich um sie kümmert. Ich kenne keine Lettinnen, die allein sind … Wahrscheinlich gibt es keine. Wenn Ihre Schwester also hier ist, wird ihr Boss ihr helfen. Auf Wiedersehen.«
    Die Frau wandte sich endgültig ab und ging mit ihren Freundinnen davon.
    Lia blieb in der Schlange vor der Toilette stehen, sie brauchte noch eine Weile, um sich von ihrer Enttäuschung zu erholen. Von der Frau hatte sie nichts erfahren, was sie weiterbrachte.
    Es war beinahe Mitternacht. Ihr blieb noch Zeit, sie musste sich nur überlegen, wie sie weiter vorgehen wollte. Sie warf einen Blick in den Saal. Die Rothaarige und ihre Freundinnen redeten aufgeregt miteinander und sahen dabei immer wieder zu Lia hinüber. Ihr männlicher Begleiter war nicht zu sehen.
    Im nächsten Moment entdeckte sie ihn dann aber doch. Er drängte sich durch die tanzende Menge und kam direkt auf sie zu, begleitet von einem jüngeren, kahlköpfigen und muskulösen Mann, der sie provozierend fixierte.
    Plötzlich bekam Lia Angst, und instinktiv trat sie ein paar Schritte zurück.
    Die Männer würden gleich hier sein. Sie musste weg, egal wohin.
    Sie lief an der Schlange vorbei zu den Toiletten, hielt sich den Bauch und

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