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Die Frau ohne Gesicht

Die Frau ohne Gesicht

Titel: Die Frau ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pekka Hiltunen
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rief immer wieder: »Entschuldigung, Entschuldigung! Ein Notfall!«
    Die wartenden Frauen schimpften, aber Lia war bereits durch die Tür geschlüpft. Dahinter herrschte ein solches Gedränge, dass sie sich kaum rühren konnte. Sie sah sich um. Es gab keinen zweiten Ausgang. An einer Wand waren zwar zwei kleine Fenster, doch hinter den verdunkelten Scheiben zeichnete sich ein Metallgitter ab. Dort kam sie nicht hinaus. Außerdem hing ihr Mantel an der Garderobe. Und draußen war es kalt.
    Sie könnte Mari anrufen. Aber was immer Mari sich einfallen ließ, würde Zeit kosten. Lia wollte raus. Das Gedränge und die Hitze in dem kleinen Raum machten sie verrückt.
    Also musste sie an die weibliche Solidarität appellieren. Rasch musterte sie die Frauen vor dem Spiegel.
    Die sportliche Blonde sieht so aus, als ob sie sich von den Männern nicht alles gefallen lässt.
    Lia schob sich neben die Frau.
    »Entschuldigung, es tut mir wirklich leid, aber ich habe ein Problem«, sagte sie leise. »Ein Mann da draußen im Club hat sich ziemlich widerwärtig benommen. Ich habe Angst, dass er mich mit Gewalt abschleppt oder so, wenn ich zurückgehe.«
    »Unerhört!«, rief die Frau. Sie musterte Lia prüfend. »Kann ich dir helfen? Soll ich die Polizei rufen oder die Security-Leute?«
    »Das wäre mir peinlich, vielleicht ist er ja doch nicht gefährlich. Aber könntest du mit mir zusammen nach draußen gehen? Ich will nur weg hier. Wenn du mich bis zum Ausgang begleitest, traut er sich wahrscheinlich nicht an mich heran.«
    Nach kurzem Zögern sagte die Frau: »Natürlich.«
    Sie drückte Lia ermutigend die Hand. Lia lächelte dankbar, und sie drängten sich eingehakt zum Toilettenausgang.
    Als die Tür aufging, holte Lia scharf Luft: Der dunkelhaarige Mann und sein glatzköpfiger Kumpan standen direkt davor. Nur die Schlange aus wartenden Frauen trennte Lia und ihre Begleiterin von ihnen.
    »Der im dunklen Anzug«, wisperte Lia.
    »Okay«, sagte die Frau, hielt Lia fest am Arm und streifte den Mann im Vorbeigehen mit wütendem Blick. Dicht nebeneinander durchquerten sie den Nachtclub.
    Um den Ausgang zu erreichen, mussten sie sich durch die tanzende Menge drängen. Lia hielt den Kopf gesenkt und bemühte sich, schnell voranzukommen. Da wurde sie plötzlich zurückgerissen, so fest, dass es ihr vorkam, als würde ihr linker Arm ausgekugelt. Lia schrie vor Schmerz auf und versuchte, sich aus dem Griff des dunkelhaarigen Mannes zu befreien, der sie zur Seite zog. Die blonde Frau starrte sie entsetzt an.
    »Hilfe! Vergewaltigung!«, brüllte Lia panisch
    Ihr Schreien übertönte das Getöse im Club. Wie vom Schlag getroffen starrten die Menschen in ihrer Umgebung jetzt in ihre Richtung.
    Der Mann ließ Lia los und verschwand blitzschnell zwischen den Tanzenden. Auch der Glatzkopf war nicht mehr zu sehen. Lia rieb sich über die schmerzende Stelle an der Schulter. Ihr Arm fühlte sich taub, wie abgestorben an und ihr ganzer Körper kribbelte vor Entsetzen und Schmerz.
    »Weg. Raus«, sagte Lia zu der Blonden.
    Obwohl der Frau die Angst ins Gesicht geschrieben stand, begleitete sie Lia. Die Leute auf der Tanzfläche wichen instinktiv vor ihnen zurück. Im Nu erreichten Lia und die Fremde die Garderobe.
    Erst hier bemerkte Lia, wie sie keuchte. Es war, als hätte der heftige Ruck ihr alle Luft aus der Lunge gepresst. Sie hielt der Frau ihre Handtasche hin.
    »Mein Mantel«, stieß sie hervor, und ihre Begleiterin verstand: Sie sollte den Garderobenzettel aus der Tasche nehmen.
    Der Garderobenmann musterte sie. Er spürte, dass etwas nicht stimmte.
    »Ist etwas passiert?«, fragte er.
    »Nein«, entgegnete Lia hastig. »Alles in Ordnung.«
    Mühsam warf sie sich den Mantel über. Richtig anziehen konnte sie ihn nicht, dafür schmerzte der linke Arm zu sehr.
    »Danke«, sagte Lia zu ihrer Helferin. »Eine furchtbare Situation.«
    »Ja, schrecklich«, nickte die Frau. »Du meldest das doch wohl der Polizei? Da drin haben viele gesehen, was der Kerl getan hat.«
    »Ja, mache ich. Danke noch mal.«
    Lia trat vor die Tür und spürte, wie wacklig sie auf den Beinen war. Sie lehnte sich kurz an die Wand und bemühte sich, ihre Atmung unter Kontrolle zu bringen. Ihre Mission war erfolglos geblieben, aber immerhin war sie am Leben und halbwegs unversehrt.
    Da bist du gerade nochmal davongekommen. Du verdammt dummes finnisches Mädchen.
    In der Straße vor dem Club war kein einziges freies Taxi zu sehen. Nachdem sie eine Weile gewartet hatte,

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