Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
in der großen Mehrzahl der Stallungen, wie mangelhaft die Futtereinrichtungen und die Behandlung des Vieh- und Geflügelstapels. Daß Reinlichkeit, Licht und Luft den Tieren ebenso nötig sind wie den Menschen und auf ihr Befinden günstig einwirken, ist eine dem Bauer des zwanzigsten Jahrhunderts noch wenig bekannte Tatsache. Daß damit die Gewinnung und Erzeugung von Milch, Butter, Käse, Eiern, Honig, Fleisch unter viel rationelleren, gesünderen und vorteilhafteren Verhältnissen vor sich gehen wird, ist selbstverständlich.
Mit der geschickten Verbindung und Ausnutzung der vorhandenen Menschen- und maschinellen Kräfte wird aber außer der Bestellung auch die Aberntung der Felder in bisher nicht geahntem Maße betrieben werden können. Die Anlegung großer Schutzhallen, Trockenhäuser usw. wird die Ernte bei jeder Witterung ermöglichen, und die rasche Einbringung derselben wird die enormen Verluste vermeiden lassen, die jetzt so häufig vorkommen. So gehen nach v. d. Goltz in einer einzigen ungünstigen Erntezeit in Mecklenburg für 8 bis 9 Millionen Mark, im Regierungsbezirk Königsberg für 12 bis 15 Millionen Mark Ernteerträge zugrunde.
5. Weinbau der Zukunft
Auch die Obst-, Beeren- und Gartenbaukultur wird in der Zukunft eine bisher kaum für möglich gehaltene Entwicklung erlangen und ihren Ertrag vervielfältigen. Wie sehr noch bei uns in bezug auf Obstzucht gesündigt wird, obgleich gerade Deutschland für Obst- und speziell für die Apfelzucht ein besonders günstiges Klima besitzt, geht daraus hervor, daß jährlich für mehr als 40 Millionen Mark frisches Obst und für mehr als 20 Millionen gedörrtes Obst eingeführt wird. Ein Blick auf den schlechten Zustand unserer Obstbäume im weitaus größten Teile Deutschlands und selbst in Ländern, die durch ihren Obstbau einen Namen haben, wie Württemberg, läßt dies begreiflich erscheinen. Hier ist ein großes Feld für landwirtschaftlich-gärtnerische Tätigkeit. Ähnlich steht es mit der Beerenkultur, die erst in ihren Anfängen steckt.
Durch Anwendung künstlicher Wärme und Feuchtigkeit in großen, geschützten Hallen wird die Gemüse-, Obst- und Beerenzucht im großen zu jeder Jahreszeit ausführbar. Die Blumenläden unserer Großstädte weisen mitten im strengsten Winter einen Blumenflor auf, der mit jenem, den sie im Sommer besitzen, wetteifert. Einen der großartigsten Fortschritte auf dem Gebiete der künstlichen Obstzucht liefert zum Beispiel der künstliche "Weinberg" des Gartendirektors Haupt in Brieg in Schlesien, der mittlerweile eine große Reihe Nachahmer gefunden hat und Vorgänger in anderen Ländern längst schon besaß, zum Beispiel in England. Die Einrichtung und die Resultate desselben wurden in der "Vossischen Zeitung" vom 27. September 1890 so verlockend geschildert, daß diese Schilderung auszugsweise hier folgen mag. Das Blatt schrieb:
"Auf einer annähernd quadratischen Bodenfläche von 500 Quadratmetern, das heißt ein Fünftel Morgen, ist das Glashaus von 4,5 bis 5 Meter Höhe errichtet, dessen Wände genau nach Norden, Süden, Osten, Westen orientiert sind. In der Richtung von Süden und Norden sind darin zwölf Reihen Doppelspaliere, je 1,8 Meter jedes vom anderen entfernt, aufgestellt, welche zugleich dem flach geneigten Dache als Stütze dienen. In ein Erdbeet von 1,25 Meter Tiefe über einer 25 Zentimeter starken Schüttlage, welche ein Netz von Drainröhren mit Vertikalröhren zur Bodenventilation enthält, ein Beet, dessen sehr schwere Betten durch Zufuhr von Kalk- und Bauschutt, Sand, verrottetem Dünger, Knochenmehl und Kalisalz locker, durchlässig und fruchtbar gemacht sind, pflanzte Herr Haupt an jenen Doppelspalieren dreihundertundsechzig Weinstöcke von solchen Sorten, welche im Rheingau die edelsten Rebensäfte liefern, also: weißen und roten Riesling, Traminer, weißen und blauen Muskateller und Burgunder.
Die Ventilation des Raumes wird außer durch mehrere Öffnungen in den Seitenwänden durch 20 Meter lange große Klappen im Dache bewerkstelligt, welche durch eine eiserne mit Schraubenspindel und Kurbel versehene Hebelvorrichtung geschlossen und geöffnet und in jeder Lage sturmsicher festgestellt werden können. Zur Bewässerung der Stöcke dienen 26 Brausen, die an 1,25 Meter langen, von einer Hochwasserleitung herunterhängenden Gummischläuchen befestigt sind. Doch noch ein anderes, wahrhaft geistreich erfundenes Mittel zur raschen und gründlichen
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