Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Besserungsanstalten, die unter pietistischem Einfluß stehen. Damit ist die pädagogische Weisheit unserer Gesellschaft zu Ende. Die ganze Verderbtheit der Erziehungsmethoden für heruntergekommene Proletarierkinder zeigen die zahlreichen Mißhandlungsfälle, die von den leitenden Persönlichkeiten in den sogenannten Erziehungsheimen begangen werden und zu Strafprozessen gegen dieselben führen. Hier wurde enthüllt, wie ein religiöses Muckertum fanatischster Art mit sadistischer Freude Mißhandlungen haarsträubendster Art sich zuschulden kommen läßt. Und wie viel des Schrecklichen mag der Öffentlichkeit verborgen bleiben!
Sechsundzwanzigstes Kapitel - Kunst und Literatur in der sozialistischen Gesellschaft
Sobald die neue Gesellschaft ihren Nachwuchs bis zum Mündigkeitsalter erzogen hat, bleibt jedem einzelnen seine weitere Ausbildung selbst überlassen. Jedes treibt und übt, wozu Neigung und Anlagen es drängen. Diese ergreifen einen Zweig der immer glänzender sich ausgestaltenden Naturwissenschaften: Anthropologie, Zoologie, Botanik, Mineralogie, Geologie, Physik, Chemie, prähistorische Wissenschaft usw. usw., jene die Geschichtswissenschaft, die Sprachforschung, das Kunststudium usw. Diese werden aus Passion Musiker, jene Maler, Bildhauer, Schauspieler. Es wird künftig weder zünftige Künstler, noch zünftige Gelehrte und zünftige Handwerker geben. Tausende glänzender Talente, die bisher unterdrückt wurden, werden zur Entfaltung kommen und sich in ihrem Wissen und Können zeigen, wo die Gelegenheit sich bietet. Es gibt keine Musiker, Schauspieler, Künstler, Gelehrte von Profession mehr, aber um so mehr aus Begeisterung und durch Talent und Genie . Und was diese leisten, dürfte die gegenwärtigen Leistungen auf diesen Gebieten ebenso übertreffen, wie die industriellen, technischen und agrikolen Leistungen der künftigen Gesellschaft die der heutigen übertreffen werden.
Es wird eine Ära für Künste und Wissenschaften entstehen, wie sie die Welt nie gesehen hat, und dementsprechend werden die Schöpfungen sein, die sie erzeugt.
Welche Neugeburt die Kunst erfahren wird, wenn einmal menschenwürdige Zustände existieren, ahnte kein Geringerer als der verstorbene Richard Wagner , der sich schon 1850 in seiner Schrift "Kunst und Revolution" darüber aussprach. Diese Schrift ist besonders merkwürdig, weil sie unmittelbar nach einer eben erst niedergeschlagenen Revolution, an der sich Wagner beteiligt hatte, erschien. Wagner sagt voraus, was die Zukunft bringen wird; er wendet sich in ihr direkt an die Arbeiterklasse, die den Künstlern helfen müsse, die wahre Kunst zu begründen. Unter anderem sagt er: "Ist unseren zukünftigen freien Menschen der Gewinn des Lebensunterhaltes nicht mehr der Zweck des Lebens , sondern ist durch einen tätig gewordenen neuen Glauben, oder besser Wissen , der Gewinn des Lebensunterhaltes gegen eine ihm entsprechende natürliche Tätigkeit uns außer allen Zweifel gesetzt , kurz, ist die Industrie nicht mehr unsere Herrin, sondern unsere Dienerin, so werden wir den Zweck des Lebens in die Freude am Leben setzen und zu dem wirklichen Genuß dieser Freude unsere Kinder durch Erziehung fähig und tüchtig zu machen streben. Die Erziehung, von der Übung der Kraft, von der Pflege der körperlichen Schönheit ausgehend, wird schon aus ungestörter Liebe zum Kinde und aus Freude am Gedeihen seiner Schönheit eine rein künstlerische werden und jeder Mensch wird in irgendeinem Bezug in Wahrheit Künstler sein. Die Verschiedenheit der natürlichen Neigungen wird die mannigfachsten Richtungen zu einem ungeahnten Reichtum ausbilden! " Das ist durchaus sozialistisch gedacht und deckt sich vollkommen mit unseren Ausführungen.
In der Zukunft wird das gesellschaftliche Leben immer mehr ein öffentliches werden. Wohin es drängt, sehen wir am deutlichsten an der gänzlich veränderten Stellung der Frau gegen frühere Zeiten. Das häusliche Leben wird sich auf das Notwendige beschränken, dagegen wird dem Geselligkeitsbedürfnis das weiteste Feld eröffnet werden. Große Versammlungslokalitäten für Vorträge und Disputationen und zur Besprechung aller gesellschaftlichen Angelegenheiten, über die künftig die Gesamtheit souverän entscheidet, Speise-, Spiel- und Lesesäle, Bibliotheken, Konzert- und Theaterlokale, Museen, Spiel- und Turnplätze, Parks und Promenaden, öffentliche Bäder, Bildungs- und Erziehungsanstalten aller Art, Laboratorien usw., alles
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