Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
aufs bestmögliche ausgestattet, werden Kunst und Wissenschaft und jeder Art Unterhaltung die reichlichste Gelegenheit bieten, das Höchste zu leisten. Ebenso werden die Anstalten zur Pflege Kranker, Siecher, Altersschwacher den höchsten Anforderungen entsprechen.
Wie klein wird dagegen einst unser so viel gerühmtes Zeitalter erscheinen. Dieses Schweifwedeln um Gunst und Sonnenschein von oben, diese kriechende, hündische Gesinnung, dieser gegenseitige eifersüchtige Kampf mit den gehässigsten, niedrigsten Mitteln um den bevorzugten Platz; dabei Unterdrückung der wahren Überzeugung, Verschleierung guter Eigenschaften, die mißfallen könnten, Kastrierung des Charakters, Erheuchelung von Gesinnungen und Gefühlen – diese Eigenschaft, die man kurz mit Feigheit und Charakterlosigkeit bezeichnen kann , treten täglich widerlicher hervor. Was den Menschen erhebt und adelt, Selbstgefühl, Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit der Gesinnung und eigene Überzeugung, freies Herausgehen aus sich selbst, wird unter den heutigen Verhältnissen meist zu Fehlern und Gebrechen. Oft ruinieren diese Eigenschaften ihren Träger, kann er sie nicht unterdrücken. Viele fühlen ihre Erniedrigung nicht einmal, weil sie daran gewöhnt sind. Der Hund findet es selbstverständlich, daß er einen Herrn hat, der bei schlechter Laune ihm die Peitsche zu kosten gibt.
Mit den erwähnten Veränderungen im sozialen Leben wird auch die gesamte literarische Produktion eine gründliche Veränderung erfahren. Die theologische Literatur, die in den jährlichen Verzeichnissen der literarischen Erscheinungen der Gegenwart die größte Nummernzahl aufweist, scheidet mit der juristischen aus. Für die eine besteht kein Interesse, für die andere keine Notwendigkeit mehr; die Erzeugnisse, die sich auf den Tageskampf über staatliche Institutionen beziehen, ebenfalls, weil die betreffenden Institutionen aufhörten zu sein. Die bezüglichen Studien werden kulturgeschichtliche werden. Die Menge seichter literarischer Produkte, als Zeichen verdorbenen Geschmacks, oft nur ermöglicht durch Opfer, welche die Eitelkeit des Autors bringt, fällt weg. Man kann sogar vom Standpunkt unserer heutigen Verhältnisse ohne Übertreibung sagen, daß vier Fünftel aller literarischen Erzeugnisse vom Markte verschwinden dürften, ohne daß ein einziges Kulturinteresse darunter litte . So groß ist die Masse oberflächlicher oder schädlicher Produkte und offenbaren Schundes auf dem Gebiet literarischer Produktion.
Die Belletristik und das Zeitungswesen werden in dem gleichen Maße getroffen. Etwas Geistloseres und Oberflächlicheres als der größte Teil unserer Zeitungsliteratur existiert nicht. Sollte nach dem Inhalt unserer Zeitungen der Stand unserer Kulturerrungenschaften und unserer wissenschaftlichen Gesichtspunkte gemessen werden, er käme tief zu stehen. Die Tätigkeit von Personen und der Zustand der Dinge wird von Standpunkten aus beurteilt, der vergangenen Jahrhunderten entspricht und durch unsere Wissenschaft längst als unhaltbar nachgewiesen ist. Ein erheblicher Teil unserer Journalisten sind Leute, die, wie einst Bismarck nicht unrichtig sagte, "ihren Beruf verfehlten", deren Bildungsstandpunkt und deren Lohnansprüche aber dem Bourgeoisinteresse für das Geschäft entsprechen. Daneben haben diese Zeitungen, wie die Mehrzahl der belletristischen Blätter, die Aufgabe, in ihrem Annoncenteil die schmutzigste Reklame zu begünstigen; ihr Börsenteil entspricht dem gleichen Interesse auf einem anderen Gebiet. Das materielle Interesse der Unternehmer bestimmt den Inhalt. Die belletristische Literatur ist, durchschnittlich genommen, nicht viel besser als die Zeitungsliteratur: hier wird namentlich das geschlechtliche Gebiet in seinen Auswüchsen kultiviert, bald wird dem seichtesten Aufkläricht, bald den abgeschmacktesten Vorurteilen und dem Aberglauben gehuldigt. Der Zweck ist, die bürgerliche Welt, ungeachtet aller Mängel, die man im kleinen zugibt, als die beste der Welten erscheinen zu lassen.
Auf diesem weiten und wichtigen Gebiet wird die Gesellschaft der Zukunft sehr gründlich aufräumen müssen. Die Wissenschaft, die Wahrheit, die Schönheit, der Meinungskampf um das Beste werden es allein beherrschen. Jedem, der Tüchtiges leistet, wird die Gelegenheit geboten, sich zu beteiligen. Er hängt nicht mehr von der Gunst des Buchhändlers, dem Geldinteresse, dem Vorurteil ab, sondern von der Beurteilung unparteiischer
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