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Die Frau vom Leuchtturm - Roman

Titel: Die Frau vom Leuchtturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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ganze Haus hallte.
    Als nach ein paar Sekunden drinnen kein Licht eingeschaltet wurde und ich keine Schritte auf der Treppe hörte, machte ich mich mit dem ungewohnten neuen Schloss vertraut, das Tom in den Eichenrahmen der Glastür hatte einbauen lassen, und trat ins Haus. Aus der Erinnerung fand ich den Lichtschalter in der Diele. Als ich ihn berührte, erwachte der glitzernde böhmische Kristallkronleuchter zum Leben und übergoss die mit Marmor ausgelegte Eingangshalle mit Licht.
    »Hallo«, rief ich laut, um ganz sicher zu sein, dass ich nicht über ein armes Pärchen stolpern würde, das es sich für ein romantisches Herbstwochenende in Neu-England
gemütlich gemacht hatte - auch Bobby und ich hatten oft darüber gesprochen, waren aber irgendwie nie dazu gekommen.
    Irgendwo über meinem Kopf, in der Nähe von Tante Ellens altem Schlafzimmer, meinte ich unter dem Getöse des Windes, der draußen auffrischte, einen Dachsparren knarren zu hören.
    Ansonsten lag das Haus still da.
    Nachdem ich mich zu meiner Zufriedenheit davon überzeugt hatte, dass ich allein war, kam ich mir ein wenig töricht vor. Ich seufzte schwer und ließ mein Köfferchen auf die antike Bank aus Kiefernholz fallen, die neben der Eingangstür stand. Dann ging ich mit meinen Einkäufen in Richtung Küche und machte unterwegs noch mehr Licht.
    Ich passierte den Salon und das Esszimmer und lächelte versonnen. Als Damon und ich Freedman’s Cove vor drei Jahren verlassen hatten, waren die Handwerker noch nicht mit den Renovierungsarbeiten fertig gewesen, und im Haus hatte ein unbeschreibliches Chaos geherrscht. Doch jetzt standen da die besten Möbel meiner Tante hübsch angeordnet und mit nach Zitronen duftender Möbelpolitur auf Hochglanz gebracht, und das Durcheinander aus Abdeckplanen und Leitern war verschwunden. Mir wurde klar, dass Damons überstürzte Modernisierungsaktion an dem alten Haus Wunder gewirkt hatte.
    Zusammen mit Tante Ellens düsteren, kleingemusterten Tapeten und schweren Samtvorhängen waren die scheußlichen Gummibäume und die finsteren Porträts meiner strengen neuenglischen Vorfahren verschwunden, die auf Art des späten 19. Jahrhunderts mit Schnüren
befestigt so an den trostlosen Wänden gehangen hatten, dass sie sich nach vorn neigten. Jetzt blickten mir statt dieser trübsinnigen Dekoration freie, cremeweiß verputzte Wände, einfache meergrüne Vorhänge und ein paar gute Drucke mit maritimen Motiven entgegen, die alle ganz prachtvoll zu den wunderbar geformten, floralen Stuckornamenten unter den hohen Decken passten und die überladenen Linien der massiven alten Möbel vorteilhaft betonten.
    Verglichen mit ihrer melancholischen Atmosphäre von einst wirkten die großen Räume jetzt geradezu licht- und luftdurchflutet. Und ich stellte mir vor, wie angenehm es hier an hellen Sommertagen sein musste, wenn durch die hohen Fensterflügel die laue Seeluft hereinwehte.
    Die Küche war ebenfalls positiv verändert worden. Die Schränke hatten neue Fronten erhalten, die Arbeitsplatten waren gekachelt, und auf dem Boden war Parkett verlegt worden. Von der Decke, die mit traditionellen Platten aus geprägtem Zinn verkleidet war, waren jahrzehntealte, vergilbte Farbschichten entfernt worden. Der Raum war mit allerhand Pflanzen und modernen Armaturen ausgestattet, die äußerlich genauso aussahen wie die alten. Alles in allem hatte sich die Küche in einen hellen, freundlichen Raum verwandelt, in dem es sich nun sicher sehr gut arbeiten und leben ließ.
    Ich spähte kurz in Schränke und Schubladen, die für die Feriengäste mit diversen Dingen des täglichen Bedarfs ausgestattet waren, und entdeckte auch Teeutensilien. Ich überprüfte, ob Gas und Wasser angeschlossen waren, erhitzte Wasser im Kessel und kontrollierte, ob der neue Kühlschrank funktionierte.

    Ein paar Minuten später hatte ich meinen kleinen Lebensmittelvorrat im Kühlschrank verstaut und stieg mit einem kleinen Tablett in der einen und meinem Köfferchen in der anderen Hand müde die steile Hintertreppe hinauf, die in den ersten Stock führte.
    Oben war überall Damons geschickte Handschrift zu erkennen. Jedes der zuvor trübselig-nüchternen Gästezimmer wirkte jetzt freundlich und einladend. Auf den Betten lagen bunte Tagesdecken, und helle, schöne Wandbespannungen hoben die natürlichen Töne liebevoll polierten Holzes hervor.
    Aber mein Lächeln verflog, als ich zum Ende des Flurs kam und in der offenen Tür zu Tante Ellens Zimmer stehen blieb. Denn

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