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Die Frau vom Leuchtturm - Roman

Titel: Die Frau vom Leuchtturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Volvo gekauft hatte, weil ich oft zu Auktionen auf dem Land fahre, die in sehr abgelegenen Gegenden stattfinden.
    Im Kofferraum fand ich das Reifenreparaturset. Es bestand nur aus einer Sprühdose, in der sich außer komprimierter Luft eine klebrige Substanz befand. Ich sprühte einmal lange in jeden Reifen des Mopeds, und zu meinem großen Erstaunen bliesen sie sich sofort auf und hielten.
    Von Schmutz und Spinnweben befreit und mit aufgepumpten Reifen sah das Moped fast wie neu aus. Allerdings war der Tank leer. Da erinnerte ich mich vage daran, dass ich jedes Jahr vor Ende der Sommerferien das Benzin und auch das Wasser aus der Batterie, die so groß wie eine Zigarettenschachtel war, abgelassen hatte. Nachdem ich noch ein paar Minuten in der Remise herumgekramt hatte, fand ich einen halb vollen Kanister Benzin, das für den Rasenmäher bestimmt war, und eine Plastikflasche mit Öl. Eine halb leere Flasche Mineralwasser, die ich auf dem Vordersitz des Volvos liegengelassen hatte, war mehr als ausreichend, um die winzige Batterie bis zum Überlaufen zu füllen.
    Nachdem ich das alles erledigt hatte, trat ich zurück, um mein Werk zu bewundern. Meine Nägel waren eingerissen und fettig, meine Kleidung schweißnass und
mein Haar staubig und verstrubbelt. Aber plötzlich fiel mir auf, dass ich mich außerordentlich gut unterhielt. Und ich fragte mich, ob ich es schaffen konnte, den Motor zu starten.
    Ganz bestimmt brauchte der alte Motor nach so vielen Jahren eine Generalüberholung. Ich kam mir ziemlich töricht vor, als ich auf das Moped kletterte, die Zündung einschaltete, Gas gab und in der Einfahrt mit aller Kraft in die Pedale trat.
    Zu meiner allergrößten Freude und Überraschung spuckte der Motor nach ein paar Metern zweimal. Das ermunterte mich, noch kräftiger zu treten. Gerade, als ich die Straße erreichte, hustete der Motor noch einmal und der kleine, chromglänzende Auspuff spuckte eine stinkende, blaue Rauchwolke aus. Und dann erwachte der Motor mit einem knatternden Geräusch zum Leben.
    Ich lachte laut, gab ordentlich Gas und fuhr auf die Straße. Mein Ziel war der alte Steindamm, der Maidenstone Island mit dem Festland verbindet. Die frische Seeluft drang mir in die Nase und wehte mir das Haar in die Augen, und mit einem Mal fühlte ich mich wunderbar. Immer noch lachend wischte ich die Strähnen beiseite und schaute auf den Tacho hinunter. Er stand bei dreißig Meilen pro Stunde - die sich auf einem Moped eher wie sechzig anfühlen -, und unter meinem kribbelnden Hinterteil schnurrte der Motor wie ein zufriedenes Kätzchen.
    Ohne einmal abzubremsen legte ich die zwei Meilen bis zur Insel zurück. Dann allerdings musste ich auf dem Parkplatz vor dem Leuchtturm anhalten, wenn ich nicht geradewegs in das eisige Wasser des Atlantiks weiterfahren wollte.

    Also stoppte ich und stand einfach da und genoss mit dem leicht geneigten Moped zwischen den Schenkeln die herrliche Aussicht.
    Der Leuchtturm von Maidenstone - eines der wenigen Seezeichen aus dem 19. Jahrhundert, die noch ihren Dienst tun - ist ein altmodisches Bauwerk, das aussieht wie eine Kitschpostkarte von einem traditionellen neuenglischen Leuchtturm. Der hohe weiße Turm, der auf den gewaltigen grauen Felsen aufragt, und das malerische, mit Schindeln verkleidete ehemalige Haus des Leuchtturmwärters daneben sind wahrscheinlich die am häufigsten gemalten und fotografierten Landmarken in unserer Gegend.
    Deswegen wimmelt es während der Sommersaison auf der Insel normalerweise von Touristen. Sie gehen hinunter zu dem kleinen Felsstrand, um sich gegenseitig zusammen mit dem eleganten weißen Turm im Hintergrund zu fotografieren, und dann stellen sie sich in Zwölfergruppen an, um die abschreckende Kletterpartie über die hundert Fuß hohe eiserne Wendeltreppe zu unternehmen und den winzigen verglasten Raum an der Spitze zu erreichen. Dann staunen sie über die gewaltigen, von Hand geschliffenen Linsen, die allnächtlich ihre lebensrettenden Lichtstrahlen dreißig Meilen weit auf das Meer hinausschicken, genau wie einst, als an dieser gefährlichen Küste große Segelschiffe verkehrten.
    Die Faszination der Besucher ist leicht nachvollziehbar. Diese Schiffe gibt es zwar nicht mehr, und die Riesentanker und Containerschiffe von heute verlassen sich in erster Linie auf Satelliten und Radar, die sie vor den tödlich gefährlichen Riffen warnen. Aber der Leuchtturm ist immer noch da. Denn Satellitensignale
können durch Sonneneruptionen gestört

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