Die Frau vom Leuchtturm - Roman
Klienten zu faxen. Dann hatte er mich barsch aufgefordert, die Leitung frei zu machen, damit er mit den Anrufen beginnen und die Kunden über das neue Arrangement informieren konnte.
23. Kapitel
Als Dan später am Abend in die Einfahrt einbog und den Mercedes hinter meinen Volvo setzte, ragte Tante Ellens großes, altes viktorianisches Haus kalt und abweisend aus dem dichten Nebel auf, der vom Meer heranzog.
Während der langen Fahrt von Boston hatten wir nur wenig über die verblüffenden Ereignisse des Tages gesprochen. Wir waren einfach zufrieden gewesen, zusammen in dem warmen Innenraum des Mercedes zu sitzen, Musik zu hören und dem rhythmischen Auf und Ab der Wischer auf der Windschutzscheibe zu lauschen. Jetzt schaltete Dan den Motor ab und sah mich an.
»Hast du Lust, noch irgendwo essen zu gehen, oder hast du fürs Erste genug von mir?«, fragte er.
»Weder das eine noch das andere«, gab ich lächelnd zurück. »Warum kommst du nicht mit rein und zündest ein ordentliches Feuer im Kamin an, während ich uns etwas zu essen mache? Ich warne dich allerdings, dass es wahrscheinlich nicht mit der Vier-Sterne-Küche im Hyatt mithalten kann.«
Dan lachte und protestierte vornehm, zu viel Haute Cuisine gehe ihm ohnehin auf die Nerven. Also gingen wir hinein und diskutierten dabei über die Vor- und Nachteile von tiefgefrorenen Fettuccine Alfredo und
Thunfischsalat - den einzigen beiden Gerichten, die ich in kurzer Zeit zusammenwerfen konnte. Wir einigten uns auf die Nudeln, und ich ging in die Küche, während Dan in den Salon lief, um sich um das Feuer zu kümmern.
Da ich die Zentralheizung hatte laufen lassen, als ich weggefahren war, herrschten im Haus angenehme Temperaturen. Doch als ich in die Küche trat und den Lichtschalter betätigte, war es dort eiskalt wie in einem Grab.
Einen Moment lang stand ich verwirrt und zitternd in der unerwarteten Kälte und sah auf die halb leere Kaffeetasse und das verbrannte, ungegessene Stück Toast auf der Küchentheke hinunter, die ich vor zwei Tagen liegen gelassen hatte.
Erst langsam wurde mir klar, dass die Tür, die auf die Sonnenveranda hinter dem Haus führte, offen stand und die eiskalte Nachtluft eindringen ließ.
Stirnrunzelnd ging ich zur Tür und spähte in den dunklen Garten hinaus. Als der Lichtstrahl vom Leuchtturm über die leere Wiese huschte, zeichneten sich die tief hängenden Äste der gewaltigen Eiche in dem immer dichter werdenden Nebel unheimlich ab. Rasch schloss ich die Tür, verriegelte sie und kehrte in die hell erleuchtete Küche zurück. Kopfschüttelnd schalt ich mich für meine Unachtsamkeit und überlegte düster, wie viel Heizöl aus dem frisch aufgefüllten Tank ich in meiner Abwesenheit wohl verbraten hatte.
Bis das Essen fertig war, hatte sich auch die Küche aufgewärmt, und ich versuchte, nicht mehr an die Sache mit der offenen Tür zu denken. Später saßen Dan und ich in dem vom Kaminfeuer erhellten Salon, aßen unsere Fettuccine und tranken billigen Rotwein aus dem Supermarkt.
Ich gab mir große Mühe, das Gespräch auf das Wetter und andere banale Themen zu lenken.
»Also«, sagte er unvermittelt, nachdem wir das Geschirr weggeräumt hatten und einander bei zwei Bechern kochend heißem Kaffee gegenübersaßen, »wie geht es jetzt weiter?«
»Bitte, Dan«, stöhnte ich, weil ich sicher war, dass er wieder das schwierige Thema der wachsenden Anziehung zwischen uns beiden anschneiden würde. »Ich hatte gehofft, du würdest mich heute Abend nicht mit kniffligen Fragen traktieren.«
Dans intensiv grüne Augen hielten meinen Blick fest. »Wenn ich bei den Marines eines gelernt habe, dann das: Angesichts einer schwierigen Lage darf man nie den Rückzug antreten«, erklärte er. »Ich habe doch gesehen, wie du heute Abend auf dem ganzen Rückweg von Boston über Damon nachgedacht hast …«
Verblüfft stotterte ich eine Antwort. »Ich habe … bloß Musik gehört …«
Dan schüttelte den Kopf, um mich zum Schweigen zu bringen. »Wir beide sind uns zu ähnlich, als dass ich dir das abkaufen würde, Sue«, unterbrach er. »Als du kleinlaut zugestimmt hast, nach Hause zu fahren und Damon bei Alice Cahill und ihren schrecklich nüchternen psychiatrischen Erklärungsversuchen zurückzulassen, wusste ich sofort, dass du etwas vorhast. Also, was ist es?«
Ich seufzte. Insgeheim war ich erleichtert, nicht über das emotional verwirrende Thema unserer Beziehung sprechen zu müssen, aber zugleich erschütterte es mich, wie leicht
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