Die Frau vom Leuchtturm - Roman
fester an sein zuckendes Becken.
»Nein, Sue, warte!«, protestierte er. »Will dich doch bloß ein bisschen im Arm halten …«
Ich würgte, als sein abgestandener Atem mir erneut ins Gesicht schwappte, und ich erkannte den Geruch.
Scotch.
Im selben Moment erfüllte der Lichtstrahl des Leuchtturms das Zimmer mit grellem weißem Licht, und ich starrte in vertraute, verquollene Züge.
»Du!«, kreischte ich, ging mit den Fingernägeln auf seine rotgeränderten Schweinsäuglein los und rammte ihm das Knie kräftig in den Schritt.
Tom Barnwell stöhnte vor Schmerzen. Halb kroch er, halb fiel er aus dem Bett. »Sue«, keuchte er. »Das war doch nur ein kleiner Scherz …«
Ich knipste die Nachttischlampe an und griff nach dem einzigen schweren Gegenstand, der in Sicht war, dem uralten Telefon, das ich auf dem Dachboden gefunden und vor ein paar Tagen von der Telefongesellschaft hatte anschließen lassen. Ich riss den klobigen Hörer von der Gabel und hielt ihn in die Höhe wie eine Keule.
»Verschwinde aus meinem Haus!«, schrie ich und hob den stumpfen Gegenstand bedrohlich über den Kopf.
Tom kam taumelnd auf die Beine und wich zur Tür zurück, wobei er ungeschickt den Gürtel seiner verknitterten Khaki-Hosen schloss. »Ich wollte dir ehrlich nichts tun, Sue!«, sagte er mit einem schleimigen Lächeln, das mich über seine wahren Absichten täuschen sollte.
Ich war verängstigt und wütend und wollte nichts hören. Denn trotz des vorzeitigen Fettansatzes, der sich um seine Taille und an seinem Hals zeigte, war Tom Barnwell fast einen Meter neunzig groß und immer noch ein kräftiger Mann, der leicht hundert Pfund mehr
wog als ich. Ich war nicht in der Stimmung, ein Risiko einzugehen, indem ich ihn unterschätzte.
»Raus hier«, sagte ich gelassen und zwang meine Stimme, sich nicht zu überschlagen. »Und zwar sofort, Tom.«
Er tat noch einen zögerlichen Schritt auf mich zu. »Lass mich doch erklären«, bat er und kam wieder näher.
Ich hob das antike Telefon höher. »Wenn du nicht sofort hier verschwindest, kannst du das alles der Polizei erklären«, drohte ich. »Bis jetzt habe ich nur darauf verzichtet, sie anzurufen, weil es deinen Vater umbringen würde, wenn ich dich wegen versuchter Vergewaltigung und unbefugten Eindringens auf mein Grundstück verhaften lasse.«
Toms gerötetes Gesicht wurde kalkweiß, aber er gab nicht nach. »Unbefugtes Eindringen?«, gab er keuchend zurück. »Du hast mir den Schlüssel zu diesem Haus gegeben, Sue. Ich bin für die Vermietung deines Hauses und die Verwaltung deines Besitzes zuständig. Schon vergessen?«
»Im Moment bist du nichts weiter als ein verfluchter Krimineller!«, schrie ich.
Tom wiegte den Kopf heftig nach rechts und links, so dass seine Hängebacken bebten wie auf einer schlechten Karikatur von Richard Nixon. »Sieh mal, ich gebe ja zu, dass es eine blöde Aktion war, mich zu dir ins Bett zu legen«, empörte er sich. »Und ich entschuldige mich ja auch …«
Jetzt konnte ich mich nicht mehr beherrschen und ging kreischend auf ihn los. »Ich will deine verdammte Entschuldigung nicht! Ich will nur, dass du aus meinem Haus verschwindest!« Ich streckte die Hand aus und
tastete an der altmodischen Wählscheibe des Telefons herum. »Das ist mir ernst.«
»Okay, okay!« Er hob abwehrend die Hände und wich langsam zur Tür zurück. »Aber ich bin nicht in dein Haus eingebrochen, Sue«, beharrte er. »Ich bin im Lauf des Tages vorbeigefahren, um nachzusehen, ob du etwas brauchst, und ich fand es komisch, dass dein Volvo hier stand, aber du nicht zu Hause warst. Da habe ich eben auf dem Heimweg vom Krabb’s noch einmal hier angehalten, um sicherzugehen, dass du okay bist …«
»In genau fünfzehn Sekunden wähle ich die Nummer der Polizei«, drohte ich.
»Hör zu. Ich bin mir sicher, dass ich gesehen habe, wie jemand hinter dem Haus herumlungerte«, fuhr er fort. Er sprach immer schneller, machte aber immer noch keine Anstalten zu gehen. »Ich habe geläutet, und als du nicht aufgemacht hast, habe ich aufgeschlossen …«
Ich steckte den Finger in das Loch mit der »9« und drehte die Wählscheibe. Das alte, mechanische Stahlrad klackte laut über seine Federn.
»Als ich in dein Zimmer geschaut und dich schlafen gesehen habe, konnte ich nur noch an die Nacht denken, die wir damals auf Dads Boot verbracht haben.« Toms Gesicht war aschgrau, und er ratterte die Ausrede, die er sich zurechtgelegt hatte, herunter wie ein Schnellfeuergewehr. »Du
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