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Die Frau vom Leuchtturm - Roman

Titel: Die Frau vom Leuchtturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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hast genauso ausgesehen wie damals, so auf der Seite zusammengerollt«, sagte er. »Und da habe ich daran gedacht, wie ich früher zu dir ins Bett gekrochen bin, um dich aufzuwecken …«
    Ein nostalgisches Lächeln verzog seine feuchten Mundwinkel.
    »In dieser Nacht hast du mir gesagt, du liebtest es, auf
diese Weise geweckt zu werden … Das habe ich nie vergessen und auch nicht, was wir füreinander empfunden haben, Susie …«
    Ich schnitt ihm das Wort ab, indem ich die nächste Ziffer wählte.
    Er verstummte, wischte sich einen Speichelfaden vom Kinn und fasste sich an die Stirn. Dicke Schweißtropfen mischten sich mit den Blutfäden, die aus zwei tiefen Kratzern flossen. Ich hatte sie ihm verpasst, als ich im Dunkeln auf seine Augen losgegangen war. Er zuckte vor Schmerz zusammen. Der Anblick seines eigenen Bluts überzeugte ihn endlich davon, dass es mir todernst mit meiner Drohung war, die Polizei zu rufen.
    »Tut mir leid, wenn ich dir Angst eingejagt habe«, murmelte er und sah auf seine blutroten Fingerspitzen hinunter. »Ich schätze, ich hatte bei Krabb’s ein paar Drinks zu viel.«
    In der Tat: Was auch immer er vorgehabt hatte, als er in mein Bett gekrochen war, war wohl von einer Überdosis Scotch inspiriert gewesen. Langsam und betont legte ich den Hörer auf die Gabel zurück. Dann verschränkte ich die Arme vor der Brust und starrte den trübseligen, verfetteten Mann an, der vor mir stand.
    »Zeit, dir endlich mal die Augen zu öffnen, Tom«, fauchte ich bösartig. »Der große romantische Abend auf dem Boot deines Vaters bestand aus genau fünfzehn Minuten ungeschickten Grapschens, gefolgt von nicht mehr als drei Minuten schmerzhaftem Sex. Ich war siebzehn, und wir waren beide sturzbetrunken. Soweit ich mich erinnere, bin ich danach vollkommen weggetreten, und du hast mich bloß geweckt, weil du schreckliche Angst hattest, dein Vater könnte uns erwischen.«

    Ich hielt inne, damit die harten Tatsachen Zeit hatten, in seine verklärte Erinnerung einzudringen. »Bei den seltenen Gelegenheiten, bei denen ich heute überhaupt noch an die Nacht auf dem Boot denke«, fuhr ich nach mehreren Sekunden angespannten Schweigens fort, »erinnere ich mich meist daran, dass ich die nächsten drei Tage ununterbrochen gekotzt habe.«
    Ich sah, dass mir jetzt seine ganze Aufmerksamkeit galt. Beschämt starrte er zu Boden, als ich weitersprach. »Mit anderen Worten, Tom, du warst entsetzlich mies im Bett«, sagte ich so gemein, wie mir zumute war. »Teufel, es ist ein Wunder, dass ich mich deinetwegen nicht völlig von der Männerwelt abgewandt habe!«
    Tom Barnwell stand in meinem Schlafzimmer, sah vollkommen geschlagen aus und schwankte unsicher von einer Seite auf die andere wie ein Matrose, der nach einer langen Seereise wieder versucht, an Land zu laufen.
    »Bis auf die Erinnerung an diese trostlose Nacht ist nichts zwischen uns, und da wird auch nie etwas sein«, fuhr ich fort, und die eiskalte Wut über seine Anmaßung, er könne einfach so in mein Bett kriechen, überkam mich erneut. »Und wenn du nicht innerhalb einer Minute von hier verschwindest oder wenn du es wagst, diesen ekelhaften Vorfall mir gegenüber noch einmal zu erwähnen, werde ich ohne Zögern die Polizei rufen und ihnen erklären, dass du heute Abend in mein Haus eingebrochen bist und mich in meinem Bett überfallen hast. Habe ich mich jetzt kristallklar ausgedrückt, Tom?«
    »Dich überfallen? Aber ich habe doch gar nichts …«
    Mit einer Handbewegung schnitt ich seinen schwachen
Protest ab. »Du hörst mir nicht zu, Tom!«, schrie ich. »Ich weiß, dass du mich heute Nacht nicht vergewaltigt hast. Und vielleicht hattest du das nicht einmal vor, wie du behauptest. Aber ich werde der Polizei trotzdem sagen, du hättest es getan.«
    Tom Barnwells schlaffer Mund klappte auf und enthüllte teuer überkronte weiße Zähne. »Meine Güte, Susie«, jammerte er, »du kannst doch nicht einfach unbegründete Anschuldigungen erheben!« Ungläubig schüttelte er den Kopf. »Das würde meine Existenz in dieser Stadt vernichten«, sagte er. »Ich kann nicht glauben, dass du in einer so ernsten Sache lügen würdest.«
    Ich wies mit einem zitternden Finger auf ihn. »Stell mich auf die Probe, Tom«, zischte ich und warf einen betonten Blick zum Wecker. »Die Hälfte deiner Minute ist übrigens schon um.«
    Tom Barnwell starrte mich an wie ein Kaninchen eine Schlange, und dann verschwand er ohne ein weiteres Wort aus meinem Schlafzimmer. Sekunden

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