Die Frau vom Leuchtturm - Roman
gestürzt.
Natürlich, sagte ich mir, Alice Cahill musste Recht haben. Damons schwerer Unfall hatte ihn geistig aus dem Gleichgewicht gebracht. Ich wünschte mir immer noch, meinen lieben, verwirrten Freund so bald wie möglich wiederzusehen und ihm zu helfen, so gut ich
nur konnte. Doch ich erkannte auch, dass es unter diesen Umständen töricht gewesen wäre, sich durch einen schweren Wintersturm nach Boston durchzuschlagen.
Nachdem ich mich zu dieser Erkenntnis durchgerungen hatte, setzte ich mich schließlich auf und sah mich um. Fast hoffte ich, Aimee würde sich zeigen, damit ich mit ihr reden könnte.
Aber mein liebes, sanftes Gespenst war nirgendwo zu sehen.
Ein paar Minuten später nahm ich langsam meine Sachen aus der Reisetasche und legte sie in die Kommode zurück.
Während ich auspackte, beschloss ich, dass Dan und ich den Rest des stürmischen Wochenendes zusammen verbringen würden, wie wir es geplant hatten. Und dann würde ich vielleicht in ein paar Tagen nach Boston fahren, mich mit Alice Cahill treffen und anbieten, Damon, so gut ich konnte, bei seiner Genesung zu unterstützen.
Als ich hörte, wie sich unten die Vordertür öffnete, und den feuchten, eisigen Luftschwall spürte, der ins Haus zog, hatte ich mir das Gesicht gewaschen, die Haare gekämmt und war auf dem Weg nach unten.
»Du bist schneller zurück, als ich dachte«, rief ich und trat in den Salon, in dem nur das Kaminfeuer brannte.
Dan gab keine Antwort, und ich blinzelte in den halb dunklen Raum hinein. Zu meinem Erstaunen saß er zusammengesunken in dem großen Sessel. Seine Züge lagen im Schatten und waren nicht zu erkennen.
»Gott, bin ich froh, dass du da bist«, rief ich aus. »Du wirst nicht glauben, was ich gerade erlebt habe.« Ich ging direkt zu dem Sessel hinüber und setzte mich auf die gepolsterte Armlehne.
Eisenharte Arme schlossen sich um meine Taille, und ich erschauerte, als ich die feuchte Berührung nassen Leders auf meiner Haut spürte.
»Ich freue mich auch, dich zu sehen, Sweet Sue«, knurrte eine heisere, bedrohliche Stimme, eine schreckliche, eisige Stimme, von der ich nie erwartet hätte, sie in diesem Leben noch einmal zu hören.
»Bobby!« Erstickt stieß ich seinen Namen hervor und versuchte aufzuspringen. Aber die feuchten, in Leder gehüllten Arme hielten mich fest wie ein Schraubstock.
Ein scheußliches Gesicht, das nur eine vage Ähnlichkeit mit Bobby aufwies, schob sich plötzlich ins Licht, und eisblaue Augen sahen mich völlig gefühlskalt an.
Ich wagte nichts zu sagen, während ich in dieses einst so attraktive Gesicht starrte, das mit einem Mal eine bösartige Maske zu tragen schien. In meinem Entsetzen konnte ich nur daran denken, dass Damon Recht gehabt hatte. Der liebe, treue Damon, der in diesem Moment meinetwegen allen möglichen, unwürdigen psychiatrischen Prozeduren unterzogen wurde.
»Was denn, Sue«, knurrte Bobby, nachdem ich eine Zeit lang, die mir ewig vorkam, geschwiegen hatte, »du hast doch gesagt, du wärst froh, mich zu sehen. Hast du deine Meinung schon geändert?«
»Alle … haben gesagt, du wärst … tot«, stotterte ich mit zitternden Lippen.
Langsam nickte Bobby und starrte aus seinem verwüsteten Gesicht ausdruckslos ins Feuer. »Ja«, murmelte er, und in seiner heiseren Stimme klang bittere Ironie mit. »Das war im Großen und Ganzen der Plan gewesen.«
Unvermittelt wurde er von einem heftigen Hustenanfall
geschüttelt. Bobby ließ mich los, krümmte sich und hielt sich die Rippen. Ich sprang auf, sah auf ihn hinunter und war mir nicht sicher, ob ich um mein Leben rennen oder ihm zur Hilfe kommen sollte.
»Du bist krank«, sagte ich leise und spürte, wie unerwartet Mitleid in mir aufstieg. Denn ich sah, dass sein blondes Haar ungepflegt und schmutzig war, und bis auf die lederne Pilotenjacke waren seine Kleider zerlumpt und so nass, dass sie an seiner fiebrigen, blassen Haut zu kleben schienen.
»Mein Gott, Bobby, war ist denn mit dir passiert?«, keuchte ich.
Langsam ließ der Anfall nach, und Bobby schüttelte den Kopf wie ein benommenes Tier und versuchte erfolglos, sich zu räuspern. »Nichts«, krächzte er. »Alles und nichts.« Er schlug die eiskalten Augen zu mir auf - Augen, die ich einst über alles geliebt hatte - und setzte ein Lächeln auf, das eher eine Grimasse war. »Hast du was Heißes zu trinken?«, fragte er. »Ich bin da draußen fast erfroren, während ich darauf gewartet habe, dass dein neuer Freund sich vom Acker
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