Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)
Seitenhieb nicht verkneifen, »haben wir auch
bereits sämtliche Verbindungen, die innerhalb der Hülle verlaufen, hergestellt
und auf ihre Funktionsfähigkeit hin überprüft.« Er legte die Stirn in Falten. »Keine
schlechte Leistung für einen so kurzen Zeitraum, würde ich meinen.«
»Wir haben noch nie ein Modul in einem so knappen Zeitrahmen
platziert und angeschlossen«, platzte Rebecca heraus.
Shannon versuchte ihrem Gesicht ein Das-habt-ihr-gut-gemacht-Kinder-Lächeln
abzuringen. Doch es missriet zu einem, das man minderbemittelten Idioten
schenkt und ihnen damit zu verstehen gibt, dass sie auch nichts weiter sind als
eben solche. »Gut. Martin, …«, sie suchte den Blick des Angesprochenen, »wird
dann heute plus 1 die Verbindungen an der Außenseite zwischen Six und Con
herstellen und Nicole wird heute plus 2 die schon lange überfälligen, noch
immer nicht installierten Versorgungsleitungen vom KW zur Basis anschließen.«
Shannon liebte es, Abkürzungen,
Akronyme und technischen Fachbegriffe in ihre Rhetorik einzustreuen. Sie
schaffte es einfach nicht ›morgen‹ statt ›heute plus 1‹ oder ›übermorgen‹ statt
›heute plus 2‹ zu sagen oder ›Zentrale‹ statt ›Con‹ und ›Kraftwerk‹ statt ›KW‹.
Es ging einfach nicht. Ihre Lippen schienen für diese, so vulgär anmutende Ausdrucksweise,
nicht geschaffen zu sein.
»Nicole? Hallo!« Shannon wusste, dass sie mit ihrer Stimme
tief in Nicoles Privatsphäre eindrang. An einem dezenten Schmunzeln, das sich
auf ihrem Gesicht zeigte, war klar zu erkennen, dass sie mit ihren Gedanken
nicht unbedingt Shannons Ausführungen beim Meeting gefolgt war. »Träumst du am
helllichten Tag?«
»Äh, ich war nur gerade in Gedanken … bin gerade die
Prozeduren für die Verkabelung und die Konfiguration der Anschlüsse durchgegangen«,
sagte Nicole. Sie strahlte Professionalität und Selbstsicherheit aus.
»Dein Gesichtsausdruck sah mir nicht gerade danach aus. Er
erinnerte mich eher an jemanden der … aber lassen wir das.« Shannons Grinsen
zeigte einen massiven Hauch von Abwertung, als es über ihr Gesicht huschte.
Die übrigen Crewmitglieder sahen betreten drein.
Offensichtlich war es für sie schwer nachzuvollziehen, was Shannon so amüsant fand.
»Ich sagte, du, Nicole, wirst gemeinsam mit Christopher, der
dich bei deinem Außeneinsatz von der Zentrale aus überwachen und unterstützen
wird, morgen nochmals alle Prozeduren und Abläufe durchgehen, damit dann heute
plus 2 nichts schiefläuft.«
Erst im Nachhinein fiel ihr auf, dass sie nun doch ›Zentrale‹
und ›morgen‹ gesagt hatte. Profaner ging es wohl kaum noch.
»Ja, geht klar«, sagte Nicole und warf Christopher einen
amüsierten Blick zu.
Dieser fing ihn auf, wie jemand, der nur darauf gewartet
hatte, zeigte jedoch keinerlei Reaktion.
»Also, wenn alles klar ist, löse ich hiermit das Meeting auf«,
sagte Shannon, warf kokett ihr Haar aus dem Gesicht und schwebte bei einem
Sechstel der Erdschwerkraft feenhaft aus dem Raum.
»Hoffen wir, dass wir die Meetings damit für diese Woche
überstanden haben«, stöhnte Christopher, der nun etwas frische Luft gebraucht
hätte, um nicht nur seinen Lungen neue Lebensgeister einzuhauchen; oder aber zumindest
einen entspannenden fünf Kilometer Lauf zur Abkühlung seines Gemüts.
Doch es gab nur die
abgestandene, neutral riechende Luft, die schon zum millionsten Mal recycled
worden war.
Beim Abendessen sagte Nicole kein Wort; fahl und abgespannt war
ihr Gesicht; leer und kraftlos ihr Körper. In dem langschattigen Licht – einen
Tag vor Sonnenuntergang –, das durch die Fenster fiel, sah ihr Gesicht noch
blasser aus.
»Was ist mit dir?«, wollte Christopher wissen und griff mit
seiner Hand nach der ihren. »Du siehst irgendwie krank aus.«
Sie versuchte ein Lächeln. »Genau so fühl ich mich auch«,
sagte sie matt. Nachdem sie lustlos in ihrem Essen herumgestochert hatte, ohne mehr
als einen oder zwei Bissen zu sich zu nehmen, trank sie ein Glas von dem
Wasser. Sie konnte nicht mehr sagen, ob es sich dabei um das von der Erde
importierte oder um das aus Urin und Fäkalien wiedergewonnene handelte. Sie war
schon zu lange auf der Basis, um daran noch einen Gedanken zu verschwenden und
ihre einstmals so ausgezeichneten Geschmacksnerven waren durch die Kost hier
schon so weit desensibilisiert worden, dass sie Fisch nicht mehr von Steak
unterscheiden konnte. In den ersten vier Wochen nach ihrer Ankunft auf
Tsiolkovsky hatte sie sich
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