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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Muellner
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eine Hitze in ihre Wangen
steigen. Die ebenmäßigen Gesichtszüge, die normalerweise ihr Gesicht attraktiv
und schön erscheinen ließen, waren aus ihrer Physiognomie verschwunden. Die
Muskeln um ihren Kiefer verkrampften sich, tiefe Linien zogen sich über ihre
Stirn.
    »Ja, du hast mich schon richtig verstanden«, setzte die
Ärztin nach, als gelte es noch bestehende Missverständnisse auszuräumen.
    Shannons Hände ballten sich zu Fäusten, öffneten sich sogleich
wieder, um sich erneut zusammenzuziehen. »Danke für deine Mitteilung«, sagte
sie kühl. Die Frustration in ihrer Stimme war unüberhörbar. »Das wäre alles.«
    »Stets zu Diensten«, gab
Rebecca zurück und schloss mit lautem Krachen die Tür, als sie die Kammer der
Kommandantin verließ.
    Am Abend dieses Tages saß eine zerknirschte Kommandantin vor
dem Monitor bei der Telekonferenz, ihr strähniges Haar hing Mitleid erregend
herab. Das sprichwörtliche Häufchen Elend hätte kaum elender aussehen können. Ihre
Ärztin war in dieser Hinsicht offensichtlich die falsche Ansprechpartnerin.
Mitleid, diese so wunderbare Droge für Seele und Ego, war von ihr nicht so
leicht zu bekommen – nicht einmal auf Rezept. Dennoch hatte Shannon viel Zeit
darauf verwendet, sich vor dem Gespräch mit ihrem Vorgesetzten noch einmal
sorgfältig zu schminken. Statt zu viel Rouge auf die Wangen aufzutragen, war
die Farbe des Abends weiß, um die Röte ihres Zornes etwas abzutönen.
    »Schauen Sie Shannon, das ist doch nicht so schlimm«, sagte
eine ruhige männliche Stimme. »Wir bauen nun schon seit knapp sechs Jahren an
der Tsiolkovsky-Basis. Da spielen doch ein paar Tage mehr oder weniger nun
absolut keine Rolle.« Das von dunklen Wolken gesprenkelte Grau des Pazifiks zog
langsam hinter ihrem Gesprächspartner vorbei.
    Der hat leicht reden, dachte Shannon, und was hat er vorhin mit
›wir‹ gemeint? Diese leeren Formeln. Dieses nichtssagende Geschwafel eines
Bürosesselklebers, dessen berufliche Laufbahn sich schon innerhalb des
Ereignishorizontes des Pensionsloches befand und dieses seither beängstigend umkreiste,
um irgendwann plötzlich und unvorhergesehen in selbiges zu stürzen. Keine
Wünsche, keine Träume, keine Ziele haben diese Typen mehr; nur noch Gedanken an
ihre Bequemlichkeit, die wie einsame Satelliten in ihrem Kopf kreisten, und daran,
wie man möglichst viel Geld mit möglichst keinem Aufwand in möglichst kurzer
Zeit scheffeln konnte. »Sie haben selbstverständlich recht, Leander«, sagte sie
und hoffte, dass ihm ihre gekünstelte Gleichgültigkeit nicht auffiel.
    Leander war als stellvertretender Projektmanager bei LunEx
nicht der einzige, der neben seiner internationalen auch noch eine
Zertifizierung für Luna-Projekte besaß. Er verstand sein Geschäft und wusste,
wovon er sprach. Immerhin war er selbst beinahe zwanzig Jahre lang aktiver
Astronaut gewesen. Seine Ausbildung absolvierte er anfangs noch bei der Nasa,
wechselte aber bald darauf in die Privatwirtschaft, da die interessanten
Projekte – also die, wo man als Astronaut tatsächlich noch die Möglichkeit
hatte ins All zu fliegen – nur noch dort zu finden waren. »Gut! Freut mich,
dass Sie das auch so sehen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend«, sagte
er, ohne auf eine Antwort zu warten, dann war der Bildschirm dunkel.
    Verdammt, was mach ich jetzt?, durchfuhr es Shannon. Eine
breite Front stellte sich ihr entgegen, der sie nur mit ihren Ambitionen und
ihrem Ego bewaffnet die Stirn bieten musste; bei der zierlichen Gestalt
Rebeccas war es schon etwas übertrieben, von breit zu sprechen, auf Leanders stattliche
Erscheinung mit seiner Leibesfülle traf diese Bezeichnung schon weit eher zu. Sie
sprang von ihrem Sessel auf, als hätte sie die schon ewig darunter lauernde
Tarantel nun endlich erwischt und lief in ihrer Kammer, die zwar doppelt so
groß war wie die der übrigen Crewmitglieder, ihr aber immer noch viel zuwenig
Bewegungsfreiheit ließ, auf und ab, knetete ihre Finger, versuchte langsam und
kontrolliert zu atmen und suchte fieberhaft einen Gedanken zu greifen, der sie
jetzt noch weiterbrachte. So einfach wollte sie sich nicht geschlagen geben. Es
musste doch noch eine Möglichkeit existieren, wie sie ihre Pläne realisieren
konnte. Plötzlich leuchteten ihre Augen, ihre Miene hellte sich auf, strahlend
schön wie ein Sonnenaufgang auf der Erde, ein Erdaufgang auf dem Mond, ein
Marsaufgang auf Deimos und ein böses Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sofort
setzte

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