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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Muellner
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bemühen.«
    Die nun folgende
Trompetenfanfare riss alle bis auf einen aus ihrer Begeisterung. Umberto ließ
den Triumphmarsch aus Verdis Aida über die Brücke donnern. Maximale Lautstärke.
Dazu gab es zwar kein italienisches, aber immerhin alkoholfreies Bier.
    »Haben wir noch weit?«, fragte Jacqueline und gähnte, als
wolle sie damit unterstreichen, dass die Dauer der Reise nun auch das letzte
Quäntchen ihrer bereits dreihundert Millionen Meilen strapazierten Geduld
aufgezehrt hatte.
    »Nicht mehr so weit wie bis hierher«, entgegnete Andy.
    Der Mars hatte bereits die winzigen Kreise des Bullaugen-Triptychons
auf der Brücke ausgefüllt und selbst am Topografieradar war nichts anderes mehr
zu sehen als der Anflugkorridor in seiner gesamten Breite.
    »Da hinten ist die Landestelle von Pathfinder«, sagte
Umberto wie ein Radiosprecher, der seinen Hörern das aktuelle Wetter schonend
näherbringen wollte, obwohl er genau wusste, dass es niemanden wirklich
interessierte. »Ebenfalls hier an Steuerbord, aber weiter zum nördlichen
Horizont hin, ist der Landeplatz der Viking-Sonde.«
    »Interessant«, gab Lamin zurück, der viel zu weit von einem
Fenster entfernt saß, um auch nur irgendetwas erkennen zu können. So mühte er
seine Augen ab, um zumindest von einem der zahlreichen Universaldisplays ein
homöopathisches Minimum an Information zu erhaschen, während sich die Landschaft
unter ihnen ständig veränderte.
    »Da vorne ist es schon!«, stieß Nancy aufgeregt hervor.
    »Ist was?«, fragte Andy.
    »Lunae Planum.«
    »Ist das gut oder schlecht?«
    »Gut natürlich.«
    »Hört sich an wie ein Virus.«
    »Was mich betrifft, ist es auch einer«, entgegnete Nancy. »Aber
der Virus, der mich wirklich infiziert hat, heißt ›Tharsis Montes‹. Die drei
erloschenen Schildvulkane, die sich in einer Linie von Südwesten nach Nordosten
ziehen. Stell dir das mal vor, jeder von denen ist zwischen vierzehn und neunzehn
Kilometern hoch.«
    »Sind wir bald da?«, fragte das ungeduldige Kind, das noch
immer in Jacqueline steckte.
    »Weiß auch nicht. – Ich bin doch nur der Techniker.«
    »Vielleicht sollten wir unseren Piloten fragen.«
    »Ich glaube, das wäre jetzt gerade etwas ungünstig«, meinte
Andy.
    »Verstehe mich nicht falsch, ich habe keine Angst, nicht
einmal die Spur davon, aber ich will wirklich nicht, dass es uns so geht wie
diesem Neil, der sich bei der ersten Landung verflogen hat.«
    »Verflogen? Neil? Der wollte doch, zumindest so weit ich
informiert bin, zum Erdenmond fliegen und dort kam er auch an – irgendwie«,
sagte Umberto, der das Gespräch verfolgt hatte.
    »Was verstehst du als Italiener eigentlich davon? Irgendwie.
Das ist für mich nicht wirklich eine Option. Ich will nicht ›irgendwie‹ ankommen«,
zickte Jacqueline. »Ich will ordentlich ankommen und möglichst auch an der
Stelle, an der das CRV steht, nur um auch sicher zu gehen, dass wir wieder von
hier wegkommen. Ich will nicht mit dem Rover eine Zweitausend-Meilen-Expedition
machen, um das CRV zu finden. – Vermutlich glaubst du auch noch immer, dass
Marco Polo tatsächlich seine Heimat verlassen hat, um im feindlichen Ausland
nach einem Landweg nach China zu suchen.«
    »Aber, bellissima Signora, selbstverständlich hat Marco Polo
bella Italia verlassen.«
    »Na bitte, da haben wir es. – Er glaubt es tatsächlich.«
    »Aber, soviel ich herausgefunden habe, war das ein reines
Versehen. Er wusste nicht genau, wo die Grenze lag und da …«
    »Mit einem Wort«, unterbrach sie ihn, »er wusste nicht, wo
er war, und er wusste nicht, was er tat. Und genau das beunruhigt mich,
Umberto. Er war Italiener. Du bist Italiener. Und …«
    »Was willst du mir jetzt damit sagen?«
    »Ich will damit sagen: Weißt du, was du tust?«
    Umberto wandte sich kurz von seinen Bildschirmen ab, warf ihr
einen verärgerten Blick zu. »Das da unten, Signora Jacqueline, ist der Mars«, sagte
er bestimmt. Machte eine Pause. Kratzte seine Kopfhaut. »Denke ich.«
    »Oder Karl May, zum Beispiel«, ereiferte sich Jacqueline.
    »Ich will jetzt wirklich nichts von diesem Möchtegern-Indianer
hören«, konstatierte Lamin energisch.
    »Kanada ist, was das betrifft, wirklich ein gelobtes Land«,
sagte Jacqueline, die Patriotin, ernst.
    »Ist mir neu.«
    »Es hat einmalige Abenteurer, John Cabot zum Beispiel oder
James Cook.«
    Umberto begann schallend zu lachen.
    »James Cook führte an den Küsten Kanadas Vermessungsarbeiten
durch, um die Küstenlinie zu kartieren,

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